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Große Klappe, alles dahinter

Patrick Tippelt 4. September 2006

Eine populäre Tageszeitung, die sich Thailands Politsumpf stellte, gibt auf. Die offiziellen Gründe sind triftig, doch tatsächlich geht es um etwas ganz anderes – um das Wohl thailändischer Journalisten.

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Es traute niemand seinen Augen, konnte kaum glauben, was es zu lesen gab. Als im Juni 2005 der International Herald Tribune ein eigener Lokalteil beilag, die ThaiDay, da waren deren acht Seiten wochenlang Bangkoks heißestes Thema. Thailändische und westliche Jungautoren hatten sich da zusammengetan, um eine Revolution auszurufen.

Verdruss von der Seele schreiben

Sachte und intelligent schrieb sich das Team um Chefredakteur Paisal Sricharatchanya den Verdruss von der Seele, den Verdruss über die morsche Politiklandschaft Thailands, den Sumpf und dessen Herrscher Thaksin Shinawatra, damals noch unbestrittener und beliebter Premierminister.

Klare Worte lieferten die Journalisten der Thai Day und stellten sich gegen die alteingessenen englischsprachigen Tageszeitungen Bangkoks, die Bangkok Post und The Nation. Deren Eigentümer hatten sich schon kurz nach der Machtergreifung Thaksins entschieden, sich des Polit-Establishments zu unterwerfen.

Jedes Fettnäpfchen eine Meldung

Zwar berichteten sie über die Affären und Skandale, die sich auch die thaisprachige Presse zu veröffentlichen wagte. Dennoch hatten die zwei Giganten stets die ausländischen Leser im Hinterkopf bei der Berichterstattung. Schlechtes wurde aufgeweicht, fast unkennbar gemacht. Das schützte die beiden zwar nicht vor Klagen der Regierung, sprich: dessen Präsidenten Thaksin.

Doch gegen Thai Day waren die zwei stumme Riesen. Die Mitarbeiter der Thai Day zeterten, was das Zeug hielt, zerrten Polit-Dreck ans Licht – und fanden rasch eine große Leserschaft in Bangkok. Die Verkaufszahlen des International Herald Tribune/ThaiDay-Pakets schnellten in die Höhe, verdoppelten sich bald.

Jugendhafte Anti-Haltung

Ob das Team nun wirklich qualitativ hochwertigen Journalismus bot, das war stets umstritten. Man erkannte in den Artikeln rasch eine jugendliche Anti-Haltung. Sachlichkeit war nie das Ziel – man sah sich als Aufklärer der ignoranten Nation. Das passte auch dem Eigentümer ins Zeug. Immerhin ist Sondhi Limthongkul der Boss, Medienmagnat und ärgster Feind Thaksins, der mit seinen Massendemos den Herrscher im Frühling 2006 stürzte.

Schluss jetzt!

Nun haben sich die Mitarbeiter um Kopf und Kragen geschrieben. Ende vergangener Woche verkündete der Chefredakteur auf der Titelseite, dass ThaiDay eingestellt wird. Sondhis Kreuzzug gegen Thaksin habe seinen Medienkonzern viel gekostet. Kredite seien gestrichen, Anzeigen zurückgezogen worden. Die Mittel reichten nicht einmal mehr für Gehaltszahlungen der Mitarbeiter.

Der Leitartikel versprach geschockten Lesern, dass dies nur eine Übergangssituation sei. Sobald Thaksin endgültig abgetreten sei, würde man ThaiDay wieder ins Leben rufen. Das allerdings glauben nur die wenigsten. Von persönlichen Drohanrufen gegen Mitarbeiter wird gemunkelt, von massenhaft eingesandten Hassbriefen. Ein Großteil des Teams sei ausgebrannt und fürchtet ums persönliche Wohl.

Was auch verständlich ist. Mit den Worten des Chefredakteurs: "Wir leben in abartigen Zeiten." Hier wird eine Zeitung zu Grabe getragen. Die Presse Thailands sollte sich dem Trauerzug anschließen. Doch stattdessen – allgemeines Schweigen. Wahrlich abartige Zeiten.