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Großbritannien legt Referendum auf Eis

6. Juni 2005

In Großbritannien wird es nach einer Erklärung von Außenminister Straw in absehbarer Zeit kein Referendum über die EU-Verfassung geben - eine in der EU umstrittende Entscheidung.

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Jack Straw: Referendum im Moment "nicht vernünftig"Bild: AP

Nach dem Nein der Franzosen und Niederländer zur EU-Verfassung hat die britische Regierung den geplanten Volksentscheid auf Eis gelegt. Großbritanniens Außenminister Jack Straw sagte am Montagnachmittag (6.6.2005) vor dem Unterhaus in London, es sei nach Ermessen der Regierung "nicht vernünftig", die nötige Gesetzgebung für das Referendum jetzt weiter voranzutreiben. Zunächst müsse geklärt sein, welche Folgen es habe, dass Frankreich und die Niederlande den Vertrag nicht ratifizieren könnten.

"Keinen Sinn"

Die britische Entscheidung zur Aussetzung des Referendums hatte sich schon abgezeichnet, als die Regierung in London nach dem Scheitern der Verfassung in Frankreich und den Niederlanden für eine Denkpause plädiert hatte. Die Regierung behalte sich das Recht vor, eine Volksabstimmung zur Verfassung anzusetzen, "wenn sich die Umstände ändern", erklärte Straw. "Aber im Moment sehen wir sehen keinen Sinn darin, fortzufahren."

Ein Sprecher von Premierminister Tony Blair sagte, die Lage müsse nächste Woche beim EU-Gipfel in Brüssel näher analysiert werden. "In unsicheren Zeiten sollte man nicht reflexartig reagieren", erklärte Blairs Sprecher weiter. "Lassen Sie uns eine Pause machen, lassen Sie uns überlegen." Die Europäische Union müsse prüfen, was die Franzosen und Niederländer zum Nein veranlasst habe. Blair sei der Ansicht, die Sorge um die europäische Wirtschaft in Zeiten der Globalisierung stehe hinter der Ablehnung der EU-Verfassung. "Was wir brauchen, ist eine rationale Debatte über die Globalisierung und darüber, wie Europa mit der Herausforderung umgeht."

Fischer warnt vor voreiligen Schlüssen

Trotz der beiden gescheiterten Referenden stehen Deutschland und Frankreich zu der umstrittenen EU-Verfassung. Außenminister Joschka Fischer hat nach der angekündigten Verschiebung des EU-Verfassungsreferendums in Großbritannien vor voreiligen Schlüssen gewarnt. Der Prozess werde dadurch nicht beendet, sondern nur unterbrochen, sagte Fischer am Montag nach Gesprächen mit dem portugiesischen Außenminister Diogo Freitas do Amaral in Lissabon. Die Situation müsse nun sehr sorgfältig auf dem EU-Gipfel am 16. und 17. Juni in Brüssel analysiert werden. Eine Auszeit könne sich Europa aber auf internationaler Bühne nicht leisten.

Freitas do Amaral betonte, die Entscheidung werde keine Auswirkung auf das für den Herbst geplante Referendum in Portugal haben, es sei denn, beim EU-Gipfel sprächen sich alle Mitglieder einstimmig für einen anderen Weg aus. Laut Umfragen wollen derzeit bis zu 80 Prozent der Portugiesen für die Verfassung stimmen. Es gilt als bindend, wenn die Wahlbeteiligung über 50 Prozent liegt.

Barroso: Nicht tot erklären

Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso appellierte am Montag an die Mitgliedstaaten, die Verfassung nicht für tot zu erklären, sondern die Beratungen auf dem EU-Gipfel abzuwarten. "Der Verfassungsvertrag wurde gemeinsam unterzeichnet, jetzt sollte auch gemeinsam über die weiteren Schritte entschieden werden", sagte Barroso in Brüssel. Die EU-Verfassung muss von allen 25 EU-Mitgliedern ratifiziert werden, um ihn Kraft zu treten.

Die polnische Regierung kündigte an, sie werde an ihren Plänen für ein Referendum über die EU-Verfassung festhalten. Es findet wahrscheinlich gleichzeitig mit der Präsidentenwahl am 9. Oktober statt. Dagegen hat Dänemark die Entscheidung über die mögliche Abhaltung eines Referendums verschoben. Die Regierung werde erst nach dem EU-Gipfel in Brüssel am 16. und 17. Juni darüber entscheiden, ob die für den 27. September geplante Volksabstimmung tatsächlich abgehalten werde,
sage Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen am Montag in Kopenhagen. Die griechische Regierung hat sich dafür ausgeprochen, den Ratifizierungsprozess für die Verfassung wie geplant weiter laufen zu lassen.

In Tschechien sind sich Regierung und Opposition nicht einig über die Zukunft des Ratifizierungsprozesses der EU-Verfassung. Präsident Jiri Paroubek will den Prozess fortsetzen, Oppositionsführer Mirek Topolanek lehnt das ab. Gespräche zwischen beiden Seiten wurden am Montag ergebnislos abgebrochen. Der slowakische Präsident Ivan Gasparovic sprach sich für eine Fortsetzung der Ratifizierung in den EU-Ländern aus. Bulgarien und Rumänien schlossen sich an. (sams)