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Keine Lehren

9. Februar 2012

Die griechische Regierung hat das neue Sparprogramm akzeptiert. Über den Berg ist Griechenlands Wirtschaft aber nicht. Denn auch das politische System ist am Ende, meint Spiros Moskovou.

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Nach wochenlangen Verhandlungen ist die griechische Koalitionsregierung der unwilligen Partner immerhin zu einem halben Ergebnis gekommen. Schon vorher hat die Regierung von Ministerpräsident Lukas Papademos neuen Sparmaßnahmen zugestimmt, und nun haben sie am Donnerstag (09.02.2012) auch die Spitzen der Regierungsparteien gebilligt.  Damit ist wenigstens das aktuellste Sparprogramm, das den Forderungen der Troika aus IWF, EU und Europäischer Zentralbank gerecht wird, unter Dach und Fach.

Offen sind hingegen immer noch die komplizierten Modalitäten eines Schuldenschnitts, die mit den privaten Gläubigern zu vereinbaren sind. Beides - Schuldenschnitt und Sparprogramm - sind jedoch die Voraussetzungen, damit Griechenland das zweite Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro gewährt wird. Sonst steuert das Land Mitte März in den Staatsbankrott.

Selbst wenn alle noch ausstehenden Einigungen erzielt werden - ist Griechenland dann gerettet? Keinesfalls. Beendet wäre dann allenfalls der momentane Akt des Dramas. Das Land tanzt seit über zwei Jahren immer wieder am Rande des Abgrunds und jedes Mal wird nur in letzter Sekunde die endgültige Katastrophe abgewendet. Einerseits ist es das Ergebnis der anfänglichen Unentschlossenheit der EU, das griechische Problem entschieden anzupacken. Andererseits aber ist das auch das Ergebnis der beispiellosen Unfähigkeit der griechischen Politik vernünftige Lösungen auszuarbeiten.

Populistisches Spiel mit der Symbolik

Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos stilisiert öffentlich die Verhandlungen mit der Troika zu einem Kampf des Herkules mit der Hydra, dem mythologischen vielköpfigen Untier. Das ist natürlich kein Zufall, denn diese Symbolik ist für das geschundene Volk der griechischen Wähler gedacht, die irgendwann in den nächsten Monaten zur Urne gebeten werden. In Wahrheit ist das aber eine Verdrehung der Wirklichkeit.

In Griechenland liegt nicht nur die Wirtschaft am Boden, sondern auch das ganze politische System. Die Krise hat alle seine Schwächen und Unfähigkeiten ans Tageslicht gebracht. Dieses System, das schon seit Jahrzehnten zum großen Teil durch Klientelismus und Korruption gespeist wird, kämpft jetzt ums Überleben.

Moskovou, Spiros Programm Mittel-/Südosteuropa, Griechische Redaktion (Foto DW)
Spiros Moskovou aus der griechischen Redaktion der DWBild: DW

Das ist die wahre Hydra, die die Griechen quält. Es sind nicht die europäischen Partner, die in der Öffentlichkeit auf Initiative der Politiker und vieler Medien abwertend zu unnachgiebigen Gläubigern reduziert werden. Die griechischen Parteien, allen voran die sozialistische PASOK und die konservative Nea Dimokratia, die die Hauptverantwortung für die heutige Misere tragen, spielen jetzt den Unschuldigen und schreiben alle Härten der Sparprogramme den "Gläubigern" zu.

Das traurige Spiel geht weiter

Diese Verdrehungen verheißen nichts Gutes, weder für das aktuelle noch für das nächste, mit Sicherheit kommende Sparpaket. Die Parteien in Griechenland haben keinen Grundkonsens über die Ursachen und den möglichen Ausweg aus der Krise. Das bezieht sich sogar auf die Parteien, die sich gegenwärtig an der Notregierung Papademos beteiligen. Auch deswegen greifen die schon getroffenen Maßnahmen nicht richtig: Sie werden als ausländisches Diktat empfunden und in der Praxis unterminiert.

Ein kleines Beispiel: 31 Prozent der erwerbstätigen Griechen sind Beamte. Die griechischen Regierungen der vergangenen beiden Jahre haben sich verpflichtet, den öffentlichen Sektor schrumpfen zu lassen, und zwar um 150.000 Arbeitsplätze bis 2015. Bis heute ist zwar fast gar nichts passiert, aber im neuen Sparpaket wurde dieses hehre Ziel noch einmal gegenüber der Troika beteuert.

Das traurige Spiel um Griechenland wird weiter laufen - trotz guter Nachrichten aus Athen. In den vergangenen zwei Jahren haben Kommentatoren oft die zögerliche Haltung Berlins zur Rettung der Eurozone in Verbindung mit dem Trauma der Weimarer Republik gebracht: der Inflation und der Massenarbeitslosigkeit der zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Es ist in diesem Zusammenhang aber erstaunlich, dass das alte Volk der Griechen aus ihrer Geschichte keine Lehren zieht. Griechenland war nämlich schon einmal pleite, zum Beispiel im Jahre 1893. Die Hinhaltetaktik und Verantwortungslosigkeit der griechischen Parteien damals führte dann im Jahre 1897 zu einer strengen Kontrolle der Athener Finanzen durch die Großmächte - darunter waren schon damals Deutschland und Frankreich. Die heute noch abwegig erscheinenden deutschen Pläne eines Sparkommissars oder eines Sparkontos für Griechenland werden wahrscheinlich demnächst unausweichlich.  

Autor: Spiros Moskovou
Redaktion: Zoran Arbutina