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Im Streik

6. Mai 2010

Die Gewalttäter in Athen repräsentieren nicht die Mehrheit Griechen. Die unterstützt trotz massiver finanzieller Einschnitte den Sanierungskurs. Aber die Elite des Landes ist gefordert, meint Spiros Moskovou.

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Spiros Moskovou, Leiter der griechischen Redaktion der Deutschen Welle (Foto: DW)
Spiros Moskovou

Schockierende Bilder aus dem Stadtzentrum Athens: Wütende Demonstranten, Rauchschwaden, Tränengasgranaten. Tragisch ist die Bilanz der Großdemonstration am Mittwoch (05.05.2010) gegen das rigorose Sparpaket der Regierung: drei Tote bei einem Brandanschlag gegen eine Privatbank. Ist das nun das befürchtete Abrutschen des Landes ins Chaos und in die Anarchie? Bevor man diese Frage beantwortet, müssen erst die Fakten geklärt werden.

Protest gegen die bittere Spar-Pille

Demonstranten bei Protesten in Athen am Mittwoch, 05.05.2010 (Foto: AP)
Proteste gegen die Sparpläne der griechischen RegierungBild: AP

In der Vier-Millionen-Stadt Athen haben am Mittwoch etwa 100.000 Leute gegen die harten Einschnitte des Sparprogramms demonstriert. Diese Sparmaßnahmen sind sicherlich notwendig, damit die Zahlungsunfähigkeit des Staates abgewendet wird. Gleichzeitig aber bedeuten sie für viele Bürger Einkommensverluste von bis zu 30 Prozent. Aus Wut über diese bittere Pille ist ein kleiner Teil der Athener Bevölkerung dem Ruf der Gewerkschaften gefolgt und hat lautstark protestiert.

Am Rande dieser Demonstration hat aber auch, wie so oft auch in anderen europäischen Metropolen, die sogenannte "autonome Szene" die Gelegenheit genutzt, um Chaos zu verbreiten. Vermummte Randalierer haben mit Molotowcocktails eine Privatbank in Brand gesetzt, wobei drei Angestellte beim Versuch, sich aus den Flammen zu retten, den Tod fanden. Diese dramatische Eskalation darf aber nicht den Eindruck erwecken, dass die Bewohner eines unverbesserlichen Schlaraffenlandes bereit wären, alles in Schutt und Asche zu verwandeln, um notwendige Veränderungen zu verhindern.

Rennende Demonstranten in Athen, die vor Tränengas flüchten (Foto: AP)
Gewaltsame Ausschreitungen am MittwochnachmittagBild: AP

Die Mehrheit hat den Ernst der Lage erkannt

Es ist wahr, dass ein Teil der griechischen Gesellschaft in den letzten 20 Jahren, also nach dem Beitritt des Landes in die EU, allzu großspurig gelebt hat. Es ist auch wahr, dass sich manche Politiker und sonstige Amtsträger aus EU-Geldern bereichert haben. Diese Entwicklung war aber weder mentalitätsbedingt, noch geschichtlich prädestiniert, wie manche Medien, auch in Deutschland, suggerierten. Die mit Entbehrungen vertraute griechische Lebensweise hat eine viel längere Tradition als die Korruption der neureichen Eliten.

Allerdings reicht eine Rückbesinnung auf alte Tugenden und Traditionen für eine wirkliche Wende in Griechenland nicht aus. Das Land muss sich einer beispiellosen finanzpolitischen Generalsanierung unterziehen. Die eher laue Beteiligung an den Protesten der Gewerkschaften in den vergangenen vier Monaten zeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung wohl den Ernst der Lage und die Notwendigkeit der Maßnahmen erkannt hat.

Damit man aber die Bevölkerung auf den Weg der Genesung richtig mitnimmt, braucht man Gesten der nationalen Vernunft und der Gerechtigkeit. Die führenden politischen Kräfte Griechenlands sollten eine Allparteienregierung bilden, um gemeinsam den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Sonst verzetteln sie sich, wie so oft in der Vergangenheit, in parteipolitischen Kleinkriegen. Eine solche Regierung der nationalen Einheit sollte auch den Mut aufbringen, wenigstens manche prominente Verantwortliche für Veruntreuung und Hinterziehung zur Rechenschaft zu ziehen. Ist die politische Elite Griechenlands heute reif für solche Maßnahmen? Es ist zu hoffen. Sicher ist es nicht.

Autor: Spiros Moskovou
Redaktion: Nicole Scherschun

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