Grüner wohnen
18. Januar 2013Es ist ein, wenn nicht DER Hingucker auf der Möbelmesse: das Haus 2013 von Luca Nichetto. Zum zweiten Mal haben die Macher der imm cologne einen international renommierten Designer gebeten, seine Vision vom Wohnen in der Zukunft auf der Messe zu präsentieren.
Und so steht es nun da: Ein Haus von rund 60 Quadratmetern mit Blumentöpfen in der Fassade, Obst- und Gemüsebeeten am Hauseingang, Rhabarber und Broccoli in der Küche. "Ich wollte ein Haus entwerfen, das die Umwelt respektiert. Zentral für unseren Planeten ist der Regenwald. Deshalb stehen auch hier die Pflanzen im Mittelpunkt", erklärt Nichetto.
Italienisch-skandinavisches Cross-Over
Eigentlich ist Luca Nichetto ein Designer alter Schule. Andererseits steht der Venezianer im Ruf, ein Rebell zu sein. Wahrscheinlich ist er beides: Handwerklich ist er traditionell, konzeptionell geht er neue Wege. Nichetto kombiniert italienische Kunstfertigkeit und Eleganz mit skandinavischer Schlichtheit und Funktionalität. "Mein Kerngedanke war, dass das Haus auf keinen Fall wie ein unpersönlicher und kühler Showroom aussehen sollte. Es sollte schön und gleichzeitig funktional sein."
Nichetto wollte die Trennung der klassischen Lebensbereiche aufheben. "Mir geht es um die Wechselbeziehung der Lebensbereiche Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer", schildert er. In sich geschlossene Räume gibt es nicht, doch man erkennt auch so, welchen Raum man gerade betritt.
Auch Ursula Geismann, Trend- und Designexpertin des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie, konstatiert die Tendenz, dass die alten Funktionsbereiche miteinander verschmelzen, sich sogar zunehmend auflösen. Kommunikatives Zentrum sei mehr und mehr die Küche. "Mit Freunden bleibt man heute bis spät in die Nacht in der Küche sitzen", schildert die Expertin. Das Wohnzimmer werde eher ein privater Rückzugsort.
Schlechte Nachrichten raus, Natur rein
Eines sucht man im Haus von Luca Nichetto vergebens: "Es gibt bei mit keinen Fernseher - mit Absicht nicht. In Italien gibt es in der jüngsten Zeit nur schlechte und traurige Nachrichten" - und die will der Designer außen vor lassen. Die Natur ins Haus zu bringen, diese Idee hatten auch schon andere, und so sieht sich Nichetto in einer guten Tradition: "In den 1950er Jahren haben die japanischen Architekten das vorgemacht oder in den USA Charles und Ray Eames. Für sie alle waren Pflanzen im Haus sehr wichtig. Daran will ich anknüpfen, den Gedanken ein wenig verändern und in die Gegenwart bringen."
Megatrend neue Natürlichkeit
Nichetto ist nicht der einzige Designer, der die Pflanzenwelt in die vier Wände bringt. Aus der ganzen Welt kommen Ideen zur Begrünung des Innenraums: Dazu gehören wagenradgroße Pflanzkübel mit pinkfarbenen Primeln, ein Wandgarten, aus dessen unzähligen Öffnungen das viele Grün vorwitzig herauslugt genauso wie ein Hirschgeweih aus Pflanzen - in humorvoller Anspielung auf das früher aus deutschen Wohnzimmern nicht wegzudenkende, echte Hirschgeweih.
Auch bei der Wahl der Materialien spielt Natürlichkeit eine bedeutende Rolle. Filz, Fell und Holz sind gefragt: Kissen und Teppiche sehen aus wie selbst gestrickt, Möbel aus Altholz wie eigenhändig getischlert. Alles Unikate, schließlich ist kein Baum wie der andere. "Die grüne Leidenschaft findet ihren Niederschlag sowohl in Dekorationen und Accessoires, als auch in der Auswahl des Materials von Möbeln", bestätigt Ursula Geismann. "Natürlich, naturbelassen, authentisch, ehrlich, das sind die Schlagworte der Zeit." Die Hersteller setzten aufgrund dieser starken Nachfrage ganz klar auf die damit verbundenen Gefühle: nämlich die Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit und Sinnlichkeit in einer zunehmend von Virtualität und Mobilität geprägten Welt. Grüner Wohnen - das sind Möbel und Accessoires, die alle Sinne ansprechen, sich gut anfühlen und ein gutes Gefühl geben.