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Bismarck und Marx

Sigrid Hoff4. Mai 2008

Industrialisierung und Städtewachstum, Unternehmerstolz und Reichseinigung: Die Entwicklung Deutschlands zwischen der Revolution 1848 und der Reichsgründung 1871 wird von Fortschrittsglauben und Gründereifer bestimmt.

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Portrait von Otto Fürst von Bismarck (Quelle: dpa)
Er prägte die Epoche maßgeblich - Otto Fürst von BismarckBild: dpa

"Du hättest sehen sollen, wie mutig alles fortstürmte, wenn es hieß, sie kommen - vorwärts Brüder", schreibt der Unternehmer Werner von Siemens über die Märzrevolution von 1848 in Berlin an seinen Bruder. Während der Revolution wurde keine einzige Laterne zerschlagen und kein Privateigentum berührt.

Viele Bürger hofften damals auf politische Veränderungen und eine Reichseinigung, doch vergeblich. Die beschädigte Bronzebüste Friedrich Wilhelms IV. in der Ausstellung wirkt wie ein Symbol dafür: Der Kopf des Königs wird mit abgeschlagener Nase und Einschusslöchern auf der Stirn präsentiert. Er hatte liberale Hoffnungen geweckt und dann bitter enttäuscht, weil er nicht von dem Gedanken eines Königtums von Gottes Gnaden abrücken wollte.

Industrie-Ikonen erlebten die Märzrevolution

Portrait von Werner von Siemens (1850, Quelle: Siemens)
Werner von Siemens erlebte 1848 die MärzrevolutionBild: AP

An die Zeit der Barrikadenkämpfe 1848/49 erinnert auch ein hölzernes Puzzlespiel, das man wie eine Theaterkulisse zusammensetzen kann. Es zeigt brennende Barrikaden, vorwärts stürmende Bürgerwehr und ängstliche Bewohner, die am Fenster stehen. "Dieses Barrikadenspiel hat mich sehr begeistert, weil ich die Jugenderinnerungen von Siemens und Caro gelesen habe", erzählt Ulrike Laufer, die Kuratorin der Ausstellung im Deutschen Historischen Museum. Heinrich Caro war ein kleiner Junge, der 1848 von zu Hause ausgebüchst war und die ersten Toten gesehen hatte. "Es ist interessant, dass die Generation der frühen Unternehmer diese Revolution erlebt hat und dass sie sehr prägend war", sagt Laufer.

Mit der Revolution 1848 beginnt eine Epoche des wirtschaftlichen Aufschwungs und erstarkenden Bürgertums. Während man die Jahre nach der Reichsgründung gemeinhin als "Gründerzeit" bezeichnet, will das Deutsche Historische Museum mit seiner Ausstellung den Begriff neu definieren. "Die Morgenröte des Made in Germany”, sagt die Kuratorin Laufer. "Wir versuchen mit dieser Ausstellung zu zeigen, wie das erste große bürgerliche Zeitalter in Deutschland funktionierte."

Zwischen Eisenbahnschienen und Telegrafenmasten

Der Eingang des Pei-Gebäudes vom Deutschen Historischen Museum (31.5.2006, Quelle: dpa)
Die Ausstellung "Gründerzeit" im Deutschen Historischen Museum in Berlin ist noch bis zum 31.8.2008 zu sehenBild: picture-alliance/ dpa

Technik, Industrie und Wissenschaft bringen neues Licht in das Dunkel der Gesellschaft. Mit dem stetigen Wachstum der Montan-Industrie in Oberschlesien, im Saarland und Ruhrgebiet wird die Grundlage für den rasanten Ausbau eines Schienennetzes und neuer Verkehrswege geschaffen. Eisenbahnen und Dampfschiffe transportieren die Güter, die Telegrafie sorgt für die schnelle Verbreitung von Nachrichten, eine ganze Gesellschaft wird mobil und setzt sich buchstäblich auf neue Gleise.

Unternehmerfamilien und Banker bestimmen darin das Bild, die Stahlmagnaten Krupp und Stumm, die Finanziers Oppenheim, Warburg und Rothschild, der Maschinenbauer Borsig und der Erfinder der Elektrotechnik Siemens. Das Kapital saß im Rheinland, in Frankfurt, in Oppenheim, aber noch nicht in Berlin.

Die wirkliche "Gründerzeit"

Ein schwarz-weißes Photo einer kleinen Personen-Eisenbahn (1874, Quelle: Siemens)
Die erste elektrische Eisenbahn auf der Berliner Gewerbeausstellung 1874Bild: Siemens

Der finanzielle Aufschwung nach der Reichsgründung 1871 führte schließlich zu einem neuen Boom, zu dem, was man gemeinhin als "Gründerzeit" versteht. Sie endet jedoch wenige Jahre in der Gründerkrise. Diejenigen, die sie überstehen, feiern sich in dem Bewußtsein, ein Zeitalter geprägt zu haben. Die anderen müssen wieder von vorne anfangen.