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Gott ins Private verdrängt

Alexander Kudascheff16. Juli 2003

Der Konvent hat seine Arbeit geschafft. Die erste europäische Verfassung ist geschrieben. Sie ist vom Konvent verabschiedet. Und der Sekt ist bereits getrunken, selbst wenn erst die erste Etappe zurückgelegt ist.

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Dennnun müssen sich die Staats- und Regierungschefs oder die Außenminister über den Konvententwurf beugen - und ihn verabschieden, mit der einen oder anderen Änderung, das ist sicher. Aber niemand will das jetzt ausgehandelte Verfassungsgerüst wirklich ändern. Denn jeder weiß: Wer das Paket aufschnürt, kriegt alle in Kompromissen gelöste Probleme und Fragen wieder auf den Tisch.

Dann beginnt das Hauen und Stechen erneut. Und das will wohl jeder vermeiden. Also wird man sich über das eine oder andere Detail beugen, ein bisschen bei den Steuern oder den Mehrheitsentscheidungen nachbessern - aber der Kern, die fundamentalen, die philosophischen, die institutionellen Ideen - sie werden bleiben.

Und dazu zählt auch: Die europäische Union wird sich eine Verfassung ohne Gottesbezug geben. Das ist nämlich nicht mehrheitsfähig - und das bei katholischen Ländern wie Irland, Spanien, Italien, Portugal, Frankreich, Österreich und Polen. Das ist immerhin eine staatliche Zahl von Ländern, in denen der Glaube, die Kirche, die Religion sehr wohl etwas zählen - wenn auch nicht überall gleich viel.

Europa, die europäische Union - sie steht zwar in der Tradition des christlichen Abendlandes, aber sie bekennt sich nicht dazu. Die europäischen Verfassungsväter und -mütter zitieren lieber Thukydides und sein Bekenntnis zur Demokratie. Sie zählen in der Präambel den Humanismus zum Grundbestand des alten Kontinents, die Gleichheit der Menschen und die Geltung der Vernunft, die Unverletzlichkeit und die Unveräußerlichkeit der Rechte des Menschen, die Offenheit Europas, seine Bereitschaft, die Grenzen und die Gräben zu überwinden.

Aber beim Thema Gott wird die Präambel wortkarg. Lapidar heißt es nur: "Schöpfend aus den kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas, deren Werte weiter lebending sind." Immerhin: die religiösen Werte sind auch im heutigen Europa lebendig, das sehen die europäischen Verfassungsschreiber auch so. Zu mehr aber hat es nicht gereicht.

Und die Parteien, die sich selbst christlich nennen? Sie haben dem zugestimmt. Denn Europa, die EU, ist ein laizistisches Gebilde. Religion und Staat sind getrennt. Gott - selbst als Anruf - hat da nichts zu suchen. Er ist ins Private verdrängt. Auch wenn der Papst, der polnische Papst das beklagt.