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Googles Bücherrevolution

Maik Meuser13. Januar 2006

Eine Onlinebibliothek muss her, nur wer soll sie erstellen? Und wie viel darf ins Internet? Fragen, um die Bibliotheken, Autoren, Verleger und Internetanbieter wie Google zurzeit heftig streiten.

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Alle wollen in die Onlinebibliothek von Google - oder?Bild: AP

Bis vor kurzem war es vor allem der Suchmaschinenanbieter Google, der die Nachrichtenlage zum Thema bestimmte. Sein Projekt "Google.print" in dem seit Ende 2004 jeden Tag Bücher von fünf wichtigen US-Universitäten eingescannt wurden, hatte die amerikanische Firma im August 2005 erstmal ausgesetzt. Grund: Eine Klage von amerikanischen Autoren. Eigentlich wollte Google im November mit der Digitalisierung weitermachen. Doch im Herbst 2005 reichten auch fünf wichtige amerikanische Großverleger in San Francisco Klage gegen das Projekt ein. In Deutschland hatte Google die Frankfurter Buchmesse genutzt, um den Startschuss für die deutsche Version zu geben. Aber auch in Deutschland empfängt man den Internetriesen nicht mit offenen Armen.

"Kalte Enteignung" von Autoren

Studieren Frau in der Bibliothek p178
Alle Bücher fürs Studium bald schon im Internet?Bild: imagesource

Die deutsche Sektion des internationalen Schriftstellerverbands PEN bezeichnet das Projekt als eine "kalte Enteignung" von Autoren. "Es geht hier schlichtweg darum, dass die Autorenrechte geschützt werden müssen. Die Autoren sind das schwächste Glied in der Kette", sagte der PEN-Deutschland-Generalsekretär Wilfried Schoeller. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags habe festgestellt, dass das durchschnittliche Einkommen von Künstlern und Autoren bei etwa 800 Euro liege. "Es ist doch klar, dass man da die Rechte der Autoren vertreten muss." Eine Aktion wie die Klage der amerikanischen Autoren sei aber momentan noch nicht geplant.

Monopolstellung über digitalisierte Buchinhalte

Google Gründer Larry Page, links, und Sergey Brin
Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin - NadelöhrstellungBild: AP

Medienexperten wie der Dortmunder Journalistikprofessor Marcel Machill sprechen darüber hinaus auch noch von anderen Problemen. "Google.print" stelle eine Gefahr dar, weil Google damit "so etwas wie ein riesiges Monopol über digitalisierte Buchinhalte" erlangen würde. In der Folge hätte Google auf diesem Gebiet eine ähnliche Gatekeeper- oder Nadelöhrstellung, wie es im Suchmaschinensektor bereits der Fall ist.

Ein Nadelöhr, für das Google bereit ist, 20 Dollar pro digitalisiertes Buch zu zahlen. Bis 2015 sollen 15 Millionen Titel erfasst werden.

Nicht nur Google ist interessiert

Bill Gates Microsoft
Will auch mit Büchern spielen - Microsoftchef Bill GatesBild: AP

Inzwischen hat der Streit um die erste weltweite Onlinebibliothek eine neue Wendung genommen. Der US-Softwareriese Microsoft will bei der Bücher-Digitalisierung mitmischen. Dafür hat sich das Unternehmen von Bill Gates eine prominente Allianz geschmiedet. Mit dabei sind der schärfste Google-Konkurrent Yahoo, der Computerproduzent Hewlett Packard und der Softwarehersteller Adobe.

Alternativen zu "Google.print" kommen allerdings nicht nur aus der Wirtschaft. Schon im Mai 2005 hatten sechs EU-Länder eine Initiative gestartet, und diese an EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso übergeben. Grund war der Aufruf von 19 europäischen Bibliotheken, die um eine europäische Datensammlung im Internet gebeten hatten, um Europas einzigartiges Kulturerbe vor dem englischen Sprachimperialismus zu schützen. "Insgesamt sollten sich die Europäer einmal hinsetzen und versuchen, gegenüber Google, Yahoo und Microsoft etwas eigenes aufzubauen," meint der Dortmunder Medienexperte Machill.

Stöbern auch in "Mein Kampf"

Suchmaschine Google
Politisch brisantes Online-AngebotBild: AP
Die politische Brisanz einer Onlinebibliothek im Stil von "Google.print" wurde jüngst beispielhaft deutlich. Das Computermagazin "Chip" hatte das neue Angebot aus dem Hause Google unter die Lupe genommen, und entdeckt, dass man über die neue Suchmaschine auch auf eine englische Ausgabe von Adolf Hitlers "Mein Kampf" zugreifen konnte. Der Autor des Artikels attestierte Google daraufhin eine an "Ignoranz grenzende Unsensibilität". Die deutsche Rechtslage um die nationalsozialistische Hetzschrift ist zwar umstritten, aber das Land Bayern unterbietet als Rechteinhaber jeden inhaltlich identischen Nachdruck. Google reagierte und entfernte den Titel aus der Datenbank. Eine Antwort auf die Frage, warum er jemals eingescannt wurde, blieb das Unternehmen allerdings schuldig.