Goldminen in Nigeria: Tödliche Kinderarbeit
Hunderte Kinder schuften in Nigerias Goldminen. Erst vor wenigen Monaten starben 28 Kleinkinder an einer Bleivergiftung. Geändert hat sich seit der Tragödie nicht viel. DW-Korrespondent Adrian Kriesch war vor Ort.
Tödliches Gift
Immer noch buddeln täglich hunderte Kinder in Nigerias Goldminen nach Gold. Erst im Mai waren 28 Kinder gestorben - alle jünger als sechs Jahre. Ihre Geschwister hatten belastete Steine aus der Mine mit nach Hause gebracht. Um das Edelmetall aus dem Gestein zu lösen, werden giftige Chemikalien wie Blei eingesetzt. Schon kleine Mengen sind für Kinder unter sechs Jahren tödlich.
Erschreckende Normalität
Bei Kleinkindern reicht schon der Kontakt mit vergifteter Kleidung und der Kreislauf kann kollabieren. Auch drei Monate nach der Tragödie ist die Situation vor Ort schockierend: Viele der Kinder in den Goldbergwerken sind gerade einmal sechs Jahre alt. Den ganzen Tag suchen sie in den Minen nach Gold - vom frühen Morgen bis in den späten Abend. Es sind kaum Erwachsene zu sehen.
Tödliches Blei
Damit sich die Kinder besser schützen, klärt eine Hilfsorganisation im Dorf auf: Die Kinder dürfen keine Arbeitskleidung mit nach Hause bringen, sollen keine Chemikalien nutzen und besonders gefährdete Minen meiden. Ganz von der Arbeit abbringen können die Helfer die Kinder nicht.
Bergwerk statt Schule
So wie im Falle dieses Mädchens. "Meine Familie braucht das Geld", erzählt Habi. Wie alt sie ist, weiß das Mädchen nicht, aber sie arbeitet bereits seit zwei Jahren in der Mine. Immerhin: Im Gegensatz zu vielen ihrer Freunde geht sie zumindest ab und zu zur Schule.
Beschwerliche Anreise
Viele Goldminen liegen im Bundesstaat Niger. Während der Regenzeit ist die Region vom Rest des Landes abgeschnitten: Die einzige Straße dorthin verwandelt sich in einen Fluss. Autos können nicht mehr passieren, Motoräder müssen durch die Wassermassen getragen werden. Vier Stunden dauert es von der nächsten befestigten Straße bis in die Dörfer. Das Chaos zeigt deutlich, wie der Staat hier versagt.
"Was soll das heißen: Kinderarbeit?"
Nach dem Tod der 28 Kinder wurde eine Task Force für Bleivergiftungen eingerichtet. Doch in Kagara, dem Sitz der Lokalregierung, leugnet man die Kinderarbeit. "Was soll das überhaupt heißen: Kinderarbeit?", sagt der Vorsitzender der Arbeitsgruppe, Alhaji Abdullahi Usman Katako. Er beteuert, dass größere Maßnahmen in der Regenzeit wegen der schlechten Straße unmöglich seien.
Kaum medizinische Versorgung
Rund 80 Prozent der Kinder in der Minenregion haben erhöhte Bleiwerte. Aber es mangelt an Ärzten, die die Kinder behandeln könnten. In unmittelbarer Nähe der Mine gibt es nur eine provisorische Arztpraxis. Der behandelnde Arzt hat nie Medizin studiert, sondern nur einen Crashkurs in der Provinzhauptstadt absolviert. Dutzende Kinder wurden deshalb zur Behandlung in größere Städte gebracht.
Fünf Klassen, 143 Schüler, ein Lehrer
In der Dorfschule in Shikira unterrichtet ein einziger Lehrer 143 Schüler - in allen Fächern. "Häufig schwänzen die Schüler und gehen Gold suchen", erzählt Abdullahi Garba. Viele Eltern könnten sich die Schuluniform nicht leisten und würden ihre Kinder deshalb zum Arbeiten in die Minen schicken. "Ich bräuchte mehr Unterstützung, um etwas dagegen tun zu können."
Mehr Minen statt Besserung
Der nigerianische Journalist Arukaino Umukoro berichtete kurz nach den tödlichen Bleivergiftungen für eine große Tageszeitung aus der Region. Doch seitdem habe sich nichts geändert. Im Gegenteil: Es gebe sogar mehr Minen als zuvor. "Die Dorfbewohner kennen nichts anderes als die Minenarbeit. Der Staat muss Alternativen schaffen und in Bildung investieren", so Umukoro.