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Goethe in Pjöngjang

Arend Wulff4. Juni 2004

Als erste westliche Kultureinrichtung eröffnete das Goethe-Institut einen Lesesaal in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang - ein Riesenerfolg für die kulturelle Diplomatie.

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Nordkoreas "ewiger Präsident" Kim Il SungBild: AP

150 Quadratmeter mit 8000 Büchern, Zeitschriften, CDs und Videos, untergebracht in einem Kulturzentrum mitten in der Innenstadt. Bis hierhin ist der Lesesaal des Goethe-Instituts eine vollkommen normale kulturelle Einrichtung - läge er nicht zwischen dem Kulturministerium und dem Isang-Yun-Institut, mitten in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang.

Am 3. Juni 2004 war es soweit: Eine Delegation unter Leitung der Präsidentin des Goethe-Instituts, Jutta Limbach (Foto), eröffnete die erste westliche Kultureinrichtung in der letzten Bastion des Stalinismus.

Jutta Limbach Goethe Institut
Jutta Limbach, Präsidentin des Goethe-InstitutsBild: AP

Eine kleine Sensation, denn noch immer ist Nordkorea fast vollkommen von der Außenwelt abgeschottet. Dicke Bretter mussten die ausländischen Kulturpolitiker im Umgang mit den nordkoreanischen Behörden bohren, die noch immer auf die unbedingte Unabhängigkeit vom kapitalistischen Westen pochen.

"So etwas wollen wir haben"

Jahrelange Vorbereitungen waren nötig, um die Erlaubnis zu bekommen. Die Kontakte liefen über Uwe Schmelter, den Leiter des Goethe-Instituts in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Nachdem 2001 die ersten Gespräche über einen Künstleraustausch zwischen den beiden Ländern stattgefunden hatten, präsentierte Schmelter seinen nordkoreanischen Gesprächspartnern erstmals das Konzept der Lesesäle als abgespeckte Version eines Instituts. "Ein knappes Jahr später trat die nordkoreanische Seite an uns heran und sagte: 'So etwas wollen wir haben.' Es konnte ihnen dann auch gar nicht schnell genug gehen."

Die eigentlichen Verhandlungen zogen sich dann aber über ein ganzes Jahr hin. "Es war sehr kollegial und harmonisch. Trotzdem war es manchmal schwierig. Vor allem wenn es an die Grundsätze ging, die aus unserer Sicht für einen solchen Lesesaal unverzichtbar sind."

Grundsätze, mit denen sich die nordkoreanischen Behörden in ihren Versuchen, das Land gegen Information von außen abzuschotten, schwer taten. Vor allem der ungehinderte Zugang und die unzensierte und freie Präsentation aller Medien im Lesesaal wurden zum Diskussionsthema. "Natürlich mussten wir unsere Partner in eine Lage versetzen, dass eine Genehmigung durch die Behörden in Nordkorea überhaupt möglich wurde," beschreibt Uwe Schmelter im Gespräch mit DW-WORLD den diplomatischen Balanceakt.

Anti-amerikanisches Plakat aus Nordkorea
Anti-amerikanische Propaganda in NordkoreaBild: AP

"Der Vertrag ist eindeutig"

Von den 8000 Medien im Lesesaal sind die Hälfte wissenschaftliche Lehrbücher - politisch völlig unproblematisch. Die andere Hälfte jedoch konnten von der deutschen Seite völlig frei, wie Schmelter betont, bestückt werden: "Alle Themen, die notwendig sind, um ein aktuelles und komplettes Deutschlandbild zu vermitteln."

Betrieben wird der Lesesaal ausschließlich von einheimischen Fachkräften. Dennoch ist der eigentliche Leiter - der Lesesaal untersteht dem Institut in Seoul - optimistisch, dass die nordkoreanischen Behörden sich an das vereinbarte Prinzip der freien Nutzung halten: "Es sind ja inzwischen einige Deutsche vor Ort. Wir werden das genau beobachten. Der Vertrag ist schließlich eindeutig."

Eindeutig sei auch die Zuneigung der Nordkoreaner zu Deutschland. Gerade wegen der gemeinsamen Teilungsgeschichte würden die Deutschen in Korea als "Wahlverwandte" gesehen. Durch sehr enge Beziehungen zur ehemaligen DDR sprächen auch viele Nordkoreaner Deutsch.

Langsame Öffnung?

Natürlich weckt das Projekt weitere Hoffnungen. "Nach Unterzeichnung des Vertrages gab es ein festliches Abendessen", erzählt Schmenker. "Die Vizepräsidentin des Komitees für Kulturelle Zusammenarbeit mit dem Ausland, Frau Hong Son Ok, sagte in ihrer Tischrede, sie hoffe, dass dieser Vertrag auch in Deutschland als ein Zeichen verstanden würde, dass man sich öffnen wolle."