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Goethe im Kino

29. Juli 2009

Der deutsche Klassiker hätte zum Kinoautor getaugt. Seine "Wahlverwandtschaften" haben Regisseure schon immer angesprochen. Nun hat sich auch der deutsche Regisseur Sebastian Schipper an eine Filmversion gewagt.

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Scherenschnitt von Johann Wolfgang von Goethe (Foto: wikipedia)
Kein geringerer als er schrieb die Vorlage:

Es gibt ihn noch, den sogenannten Sommerfilm. Zumindest möchte "Mitte Ende August" von Regisseur Sebastian Schipper ein Sommerfilm sein. Das Thema - ein Ehepaar renoviert ein altes, auf dem Land gelegenes Haus und bekommt dabei Besuch - erscheint banal. Aber wenn man weiß, dass mit Milan Peschel und Marie Bäumer zwei der profiliertesten deutschen Schauspieler mitspielen und die Vorlage eigentlich von Goethe stammt, dürfte das Interesse geweckt sein.

Quasselstrippe contra Ruhepol

Thomas und Hanna wollen einmal im Sommer nur für sich sein, ausspannen und ihr Sommerhaus renovieren. Eigentlich sind die beiden ein etwas ungleiches Paar. Thomas, gespielt von einem hyperaktiven, aber überzeugenden Milan Peschel, ist eine Quasselstrippe mit vielen hochtrabenden Ideen und Plänen. Hanna (Marie Bäumer) wirkt dagegen wie ein Ruhepol.

Hanna (Marie Bäumer) und Thomas (Milan Peschel) sitzen im Kinofilm "Mitte Ende August" gemeinsam bei Kerzenschein an einem Tisch (dpa)
Hanna (Marie Bäumer) und Thomas (Milan Peschel) bei Kerzenschein.Bild: picture-alliance/ dpa

Erotisches Beziehungsgeflecht

Die idyllische Zweisamkeit wird dann jedoch gestört, weil Thomas Bruder, ein erfolgreicher Architekt in der Midlife Crisis, und Hannas junge Patentochter Augustine in dem Haus eintreffen. Das sorgt zunächst für beschwingte Abende. Erst später beherrschen Komplikationen das Beziehungsgeflecht.

Goethe als Vorlage

Sebastian Schipper (dpa)
Regisseur Sebastian SchipperBild: picture-alliance/ dpa

Der dritte Film von Regisseur Sebastian Schipper nach "Absolute Giganten" und "Ein Freund von mir" wirkt wie ein kleines, improvisiertes Sommerstück, das den Charme des Unfertigen versprüht. Die Inspiration zu dieser Geschichte holte sich Sebastian Schipper vom großen Goethe, auch wenn man das zunächst kaum glauben mag.

Zufällige Begegnung mit dem Klassiker

Im Gespräch gesteht der Regisseur dann auch, dass er eher zufällig an den Stoff für seinen Film gekommen ist: "Meine Vorurteilsbeladung gegenüber Goethe hätte nicht größer sein können. Im Urlaub sind mir die Bücher ausgegangen. Und dann gab es eben ein Reclamheft, da stand "Wahlverwandtschaften" drauf, das hab ich dann voller Ressentiments aufgeknickt. Und da fand ich mich wieder in einer Welt, die ganz fein, ganz neugierig und ganz wund oder ganz ungeschützt, erforscht, was zwischen diesen Männern und Frauen passiert, was deren Problem ist."

Präzise Darsteller

Auch wenn Sebastian Schipper ein sehr detailliertes Drehbuch vorlegte, wirken das Spiel und die Dialoge sehr frisch. Schipper kann sich in seiner modernen Literaturadaption wie schon bei seinen früheren Arbeiten auf seine guten Darsteller verlassen. Neben Milan Peschel überzeugen Marie Bäumer als Hanna, André Hennicke als Thomas Bruder und die junge Anna Brüggemann als Augustine.

Goethe in der Campagna / Gemaelde von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (Staedelsches Kunstinstit) (Foto: picture-alliance / akg-images)
Kein geringerer al er schrieb die Vorlage: Johann Wolfgang von Goethe.Bild: picture-alliance / akg-images

Milan Peschel im Zentrum

Langsam lädt Sebastian Schipper im Verlaufe der Handlung die Beziehungen der Protagonisten erotisch auf, es kommt zu Spannungen und Thomas fühlt sich immer mehr zu Augustine hingezogen. Hauptdarsteller Milan Peschel gelingt es jedoch bei aller Zwiespältigkeit des Charakters, dass die Figur immer charismatisch bleibt. Wie sieht Milan Peschel diesen Thomas: "Ich würde ihn als extrem lebensbejahend und als sehr optimistischen Menschen bezeichnen. Ich finde, er hält sich schon an Regeln, aber die sind ein bisschen weiter draußen, für uns vielleicht nicht so sichtbar. Die Zäune, die er umrennt, das ist alles verzeihbar."

Sympathische Literaturverfilmung

Nicht alle Handlungsstränge funktionieren in "Mitte Ende August". Vor allem im letzten Drittel wird unnötig viel geschrien und gestritten. Dennoch bleibt auch die dritte Regiearbeit von Sebastian Schipper ein hochsympathisches, sehenswertes Werk und der Regisseur beweist einmal mehr seine Schwäche für große Jungs.

Autor: Jörg Taszman

Redaktion: Jochen Kürten