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Nicht nur Glückwünsche

Christoph Hasselbach23. September 2013

Zahlreiche EU-Vertreter sowie europäische Staats- und Regierungschefs haben Angela Merkel zum fulminanten Wahlsieg der CDU/CSU gratuliert. Meist steckt aber noch mehr dahinter.

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Merkel spricht, EU-Kollegen hören zu. (Foto: picture-alliance/dpa)
Auf dem EU-Parkett ist Merkel schon länger tonangebendBild: picture-alliance/dpa

Der französische Präsident François Hollande gratulierte als einer der ersten ausländischen Staats- und Regierungschefs - und im Gegensatz zu anderen telefonisch. In dem Gespräch hätten beide vereinbart, "weiterhin eng zusammenzuarbeiten, um die Herausforderungen des europäischen Projekts zu meistern", hieß es anschließend aus dem Elysée-Palast. Merkel und Hollande wollten außerdem "unablässig für eine Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland arbeiten". Dieser ständige Annäherungsversuch ist allerdings auch bitter nötig. Denn Merkel und Hollande liegen in der Wirtschafts- und Europapolitik Welten auseinander. Hollande hat Merkel, sobald die neue deutsche Regierung steht, nach Paris eingeladen.

Kurz und knapp dagegen der britische Premierminister David Cameron. Auf Twitter meinte Cameron nach seinen Glückwünschen, er freue sich, "weiterhin eng zusammenzuarbeiten". "Weiterhin eng": In Brüssel munkelt man seit einiger Zeit, Merkel stehe Cameron politisch näher als Hollande, könne das nur nicht so deutlich sagen. Der italienische Regierungschef Enrico Letta nannte Merkels Wahlsieg "brillant". Für Letta ist es "gut für die Europäische Union", dass die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) den Einzug in den Bundestag knapp verpasst hat. Wäre die AfD im Parlament, hätte das in der Tat ein deutsches Entgegenkommen gegenüber dem krisengeplagten Italien weiter erschwert. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hatte ebenfalls schon früh am Wahlabend gratuliert und geschrieben: "Ich bin sicher, dass die Bundesrepublik Deutschland und ihre neue Regierung weiterhin engagiert zum Aufbau eines friedlichen und wirtschaftlich erfolgreichen Europas beitragen werden, das allen Bürgern dient." Hieraus spricht der Wunsch des Ratspräsidenten, den ganzen Laden zusammenzuhalten.

Bundestagswahl als Teil einer europäischen Innenpolitik?

Ein Heimspiel hat Merkel selbstverständlich bei der Fraktion der Volkspartei im Europaparlament, zu der CDU und CSU gehören. Wie in Berlin, so ist auch in Straßburg die Volkspartei stärkste Fraktion. Wilfried Martens, Präsident der Parteienfamilie, meint anerkennend: "Während der gesamten Zeit der Wirtschaftskrise war Angela Merkel eine starke Führungsfigur und hat eine ruhige Hand bei den Bemühungen bewiesen, Europa zurück auf den Pfad des Wohlstands zu bringen. Ihre Rolle wird bei Europas weiterer Erholung entscheidend wichtig sein."

Merkel-Bild mit Hakenkreuz und Hitler-Bärtchen. (Foto: AFP/Getty Images)
In Griechenland schlug Merkel oft blanker Hass entgegenBild: AFP/Getty Images

Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments, schraubt die Erwartungen an Merkel durch sein Glückwunschschreiben in die Höhe: "Die ganze EU schaut mit großem Interesse auf die anstehende Regierungsbildung. Wie schon bei anderen Wahlen, zum Beispiel in Frankreich, Italien und Griechenland, kann man erkennen, dass wir es zunehmend mit einer europäischen Innenpolitik und einer europäischen Öffentlichkeit zu tun haben." Schulz mahnt, die neue Bundesregierung und das Europäische Parlament müssten zusammen vor allem etwas gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa tun und "die Haushaltskonsolidierung durch Wachstumsimpulse ergänzen". An dieser Stelle kann der Sozialdemokrat Schulz seine parteipolitische Herkunft nicht verleugnen. "Wachstumspolitik" im Sinne von staatlichen Konjunkturprogrammen, wie sie die Sozialisten im Europaparlament und viele europäische Regierungen immer wieder fordern, hat Merkel jedenfalls immer abgelehnt.

Sozialisten-Fraktionschef rät zu großer Koalition

Die sozialistische Fraktion im Europaparlament versucht sogar, sich direkt in die Koalitionsverhandlungen in Berlin einzumischen. Fraktionschef Hannes Swoboda aus Österreich rät den Parteifreunden in Deutschland, "das Mandat der Wähler anzunehmen und in einer großen Koalition Verantwortung zu zeigen. Deutschland braucht dringend sozialdemokratischen Einfluss in der Regierung, um progressive Reformen in Europa umzusetzen und mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland zu erreichen", meint Swoboda. Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen macht sich Sorgen wegen des guten Abschneidens der Alternative für Deutschland, die den Euro-Rettungskurs ablehnt und am liebsten zu nationalen Währungen zurückkehren würde. Leinen kritisiert, die Europapolitik sei im Wahlkampf ausgeblendet worden. Das habe sich nun gerächt.

Porträt von Sozialisten-Chef Hannes Swoboda (Foto: EPA/Patrick Seeger)
Macht Druck auf die Genossen in Berlin: Hannes Swoboda, Chef der Sozialisten im EU-ParlamentBild: picture alliance/dpa

Dagegen freut sich der unabhängige Europaabgeordnete Hans-Peter Martin aus Österreich über das gute Abschneiden der Partei: "Mit der AfD gibt es jetzt auch im wichtigsten EU-Mitgliedsstaat eine beachtliche EU-kritische Kraft. Die vor allem von Sozialdemokraten betriebene EU-Transferunion zu Lasten der EU-Nettozahler wird zum Glück jetzt schwieriger." Er selbst, so Martin, stimme zwar längst nicht immer mit den Positionen der AfD überein. Doch er findet es allein schon wichtig, dass sich die Politik in Deutschland jetzt mit dem Widerstand gegen die bisherige Rettungspolitik stärker beschäftigen muss.