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Teure Hitzewellen

Helle Jeppesen9. September 2016

Die globale Erwärmung wird uns teuer zu stehen kommen. Experten sagen als Folge des Klimawandels steigende Kosten und fallende Produktivität für die globale Wirtschaft voraus.

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Japan Hitzewelle Hitze Wetter
Bild: picture-alliance/dpa/N.Shrestha

Jeder kennt es: Bei Hitze werden alle Bewegungen anstrengender, die Konzentration lässt nach und die Unfallgefahr steigt. Wer bei Temperaturen von über 35 Grad Celsius in der prallen Sonne bleibt, riskiert seine Gesundheit, womöglich sein Leben. Auf extreme Hitze reagiert der menschliche Körper mit Hitzschlag, Dehydrierung und Kreislaufkollaps.

Bauern und Tagelöhner, die unter freiem Himmel arbeiten, sind bei extremer Hitze besonders gefährdet, ebenso wie Millionen von Menschen die in schlecht belüfteten Fabriken arbeiten.

"Die normale Körpertemperatur liegt bei 37 Grad Celsius. Wenn die Körpertemperatur auf über 39,5 Grad Celsius steigt, kollabieren viele Menschen", erklärt Brian Kohler von der internationalen Gewerkschaft IndustriALL in Genf auf DW-Anfrage. Bei Hitze versucht der Körper sich durch Schwitzen abzukühlen, um die normale Körpertemperatur wieder herzustellen, doch, so Kohler, "gibt es nur eine relativ schmale Temperaturspanne zwischen 36 und 39 Grad Celsius, wo der Körper normal funktioniert". Bei einer Körpertemperatur von 41 Grad steige das Risiko einen Hitzschlag zu erleiden – im schlimmsten Fall mit Hirnschäden oder gar Tod als Folge.

Extreme Hitze nimmt zu

Extrem heiße Tage werden im Zuge des Klimawandels und der globalen Erwärmung immer häufiger: Im indischen Rajasthan wurden in diesem Jahr 51 Grad Celsius gemessen. Die Hitzeperioden werden zudem immer länger. Das könnte auch für die Wirtschaft teuer werden, warnen Experten von UNU-IIGH, dem Institut für globale Gesundheit an der Universität der Vereinten Nationen.

Indien Dürre Hitzewelle Arbeiter trinken Wasser in Chandigarh
Wer sich bei extremer Hitze draußen aufhalten muss, riskiert Leben und GesundheitBild: Reuters/A. Verma

Wissenschaftler Tord Kjellstrom schätzt in seinem Bericht zu den Folgen des Klimawandels für Gesundheit und Wirtschaft, dass sich der Produktivitätsausfall durch Hitze bis 2030 in vielen Ländern verdoppeln wird. In China und Indien könnten die Produktivitätsverluste dann bei jeweils rund 450 Milliarden Dollar jährlich liegen. In tropischen und subtropischen Ländern, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, werde die Hitze insgesamt das Bruttoinlandsprodukt um fünf bis sechs Prozent schrumpfen lassen, so Kjellstrom.

Gefährdete Arbeiter

"Bisher ging es immer darum, die Produktionsumgebung zu kühlen, wenn es die Produkte rein technisch erforderlich machten. Die Bedürfnisse der Arbeiter wurden dabei jedoch kaum berücksichtigt" sagt Kjellstrom im DW-Interview und nennt als Beispiel eine Fabrik, die er in Vietnam besucht hat. "Da wurden Fernseher in klimatisierten Räumen produziert, und nebenan war eine Schuhfabrik, in der ohne Kühlung gearbeitet wurde und in der es extrem heiß war."

"Erst wenn die Arbeit wegen Hitze niedergelegt wird, weil die Arbeiter sich weigern weiter zu arbeiten, wird reagiert", sagt Kjellstrom und beklagt, dass das Thema bisher wenig Beachtung gefunden habe.

Klimawandel noch kein Standortfaktor

Überhaupt scheint das Thema Klimawandel und steigende Temperaturen bei der strategischen Unternehmungsplanung noch nicht angekommen zu sein meint auch Martin Geiger, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der DEG. Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft, eine Tochter der Entwicklungsbank KFW, finanzierte im vergangenen Jahr Investitionsvorhaben in Entwicklungs- und Schwellenländern für insgesamt 1,1 Milliarden Euro.

Infografik Klima-Risiko-Index: Ranking 1995-2014 DEU
Viele Billiglohnländer sind vom Klimawandel besonders betroffen

"Die Auswahl von Standorten für ein unternehmerisches Engagement hängen im Wesentlichen von anderen Faktoren ab", sagt Geiger und nennt Faktoren wie vorhandene Infrastruktur, Lohnkosten, Qualifikation der potentiellen Mitarbeiter und der Zugang zu Märkten und Zulieferbetrieben. "Ich glaube, dass heute der Aspekt Klimawandel bei diesen Standortfaktoren noch eine untergeordnete Rolle spielt."

"Vielen unserer Investoren ist der Zusammenhang von Arbeitssicherheit und der Einfluss, den sie auf die Produktivität hat bewusst. In manchen Fällen haben sie aber noch nicht alle Maßnahmen ergriffen, die notwendig wären, um eben diese Arbeitssicherheit zu verbessern oder auf ein Niveau zu heben, auf dem die Produktivität mittel- und langfristig im Unternehmen gesteigert werden könnte."

Klimaanlagen keine Lösung

Einfach mehr Klimaanlagen zu bauen wäre keine nachhaltige Lösung. "Mehr Klimaanlagen würden mehr Energie verbrauchen. So lange Energie vor allem mit fossilen Brennstoffen erzeugt wird, wird dadurch die globale Erwärmung weiter angeheizt", warnt Brian Kohler, der bei IndustriALL die Abteilung für Gesundheit, Sicherheit und Nachhaltigkeit leitet. "Klimaanlagen sind keine Lösung, sondern Teil des Problems."

Nordkorea Arbeiterinnen in einer Fabrik Flash-Galerie
Klimaanlagen wären zu teuer und würden den Klimawandel nur anheizenBild: AP

Die notwendigen Investitionen und der steigende Energieverbrauch wären zudem ein erheblicher Kostenfaktor für die Fabriken in vielen Schwellen- und Entwicklungsländer, die damit Wettbewerbsvorteile wegen der niedrigen Produktionskosten verlieren würden.

In vielen Entwicklungs- und Schwellenländer würden außerdem die ohnehin nicht sehr stabilen Stromversorgungsnetze vollends wegen Überlastung zusammenbrechen, warnt Autor Tord Kjellstrom, der in seinem Bericht auch den Energiebedarf für Kühlungsanlagen berechnet hat. In einer Stadt von der Größe Bangkoks mit rund 8,5 Millionen Einwohnern wäre ein zusätzliches 2000 Megawatt Kraftwerk nötig, um mit Kühlanlagen einen Temperaturanstieg von einem Grad Celsius im Jahresdurchschnitt auszugleichen, schreibt Kjellstrom in seiner Studie.

"Es fehlen empirische Untersuchungen, die Produktivitätsveränderungen bei Hitze genau dokumentieren – und Forschung über Kühlsysteme, die nicht noch mehr zum Klimawandel beitragen", sagt Kjellstrom im DW-Interview.

Die Unternehmen sollten, im eigenen Interesse, hier mehr Initiative zeigen.