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GMF: #MeToo jenseits von Hollywood

Rachel Stewart tla
13. Juni 2018

Die #MeToo-Bewegung gilt als Beginn eines Kulturwandels. Welchen Effekt sie tatsächlich für Frauen weltweit hat, diskutierten internationale Aktivistinnen beim Global Media Forum auf einer DW-Podiumsdiskussion.

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Indien Vergewaltigung Proteste
Bild: dapd

#MeToo ist zum Synonym für den Kampf gegen sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch von Männern geworden. Der Hashtag verbreitete sich im Herbst 2017, als der amerikanische Filmproduzent Harvey Weinstein erstmals öffentlich sexueller Übergriffe und der Vergewaltigung beschuldigt wurde. Frauen nutzten die Sozialen Medien, um ihre eigenen Erfahrungen mit Belästigung und Körperverletzung zu teilen.

Acht Monate später wurde Weinstein wegen Vergewaltigung angeklagt. Hollywood wurde bis ins Mark erschüttert und das Nachbeben ging über die Unterhaltungsindustrie weit hinaus.

GMF: Künstlerinnen und Feminismus im #MeToo-Zeitalter

Am 12. Juni fand im Rahmen des Global Media Forums in Bonn eine Podiumsdiskussion der Sendung "Kultur.21" der Deutschen Welle statt, auf dem die Debatte im Zusammenhang mit dem Weinstein-Skandal beleuchtet wurde. Moderatorin Karin Helmstaedt fragte das internationale Panel, bestehend aus Frauenrechtlerinnen und prominenten Aktivistinnen aus der Kunstszene, nach der Wirkung von #MeToo außerhalb Hollywoods.

"Der Fokus auf #MeToo ist in den USA und in Hollywood so groß, dass man alles andere vergisst, was auf der Welt passiert", sagte die Verlegerin Urvashi Butalia, die seit Jahrzehnten für Frauenrechte in Indien kämpft. "Überall auf der Welt brechen die Frauen aus und beanspruchen öffentliche Räume viel mehr als früher." In jedem Land und in jeder Gesellschaft werde es besondere Geschichten geben, die die Debatte vorantrieben, prognostizierte Butalia.

Teilnehmerinnen einer Podiumsdiskussion
Die Teilnehmerinnen diskutierten: Wie weiblich ist Kultur heute?Bild: DW/R. Stewart

Aufmerksamkeit auf den Alltag

Die libanesische Autorin Joumana Haddad sagte, die Berichterstattung über die #MeToo-Bewegung habe sich zu sehr auf den Promi-Aspekt konzentriert: "Wir sollten normalen Leuten mehr Aufmerksamkeit schenken." Die Medien würden in jeder Geschichte nach der Sensation suchen. "Eine Schauspielerin, die sagt, dass dieser Produzent sie belästigt oder vergewaltigt hat, lässt sich besser verkaufen als eine normale Person, die das sagt. Aber es passiert jeden Tag mit normalen Frauen."

Haddad hat die arabischsprachige Zeitschrift "Jasad" gegründet, die den weiblichen Körper und die Sexualität feiert. Sie zählt zu den Kritikerinnen der kulturellen, politischen und religiösen Zwänge in der arabischen Welt - insbesondere für Frauen. Mit Blick auf das vom saudischen König Salman erlassene Dekret, das Frauen in Saudi-Arabien das Autofahren erlaubt, sagte Haddad: "Es ist unvorstellbar, dass wir einem Land applaudieren, nur weil es Frauen etwas so absurdes erlaubt, wie ein Auto zu fahren."

Als Schriftstellerin gehe es ihr jedoch nicht nur darum, ihre eigene Gesellschaft herauszufordern. "Es geht auch um die Bekämpfung der Stereotypen im Westen", sagte sie auf dem Podium. "Nicht alle arabischen Frauen sind unterwürfig oder unterdrückt oder verschleiert."

Saudi-Arabien - Frauen am Steuer
Fortschritt? Frauen dürfen in Saudi-Arabien Auto fahrenBild: picture-alliance/AP Photo/L. al-Hathloul

Der Schleier war auch unter den Teilnehmerinnen ein umstrittenes Thema. Rokhaya Diallo, eine muslimische Journalistin und Filmemacherin aus Frankreich, antwortete auf Haddads Ausführungen mit der Ansicht, dass "der Schleier ein Zeichen der Weiblichkeit" sei. "In Frankreich gibt es eine Bewegung, muslimische Frauen zu zwingen, den Hijab [das Kopftuch] nicht zu tragen", sagte sie. "Als Frau solltest du frei entscheiden können, was du mit deinem Körper machen willst."

Ein nachhaltiger Effekt auf Hollywood

Nach fast 25 Jahren bei der Academy of Motion Picture Arts and Sciences ist die Podiumsteilnehmerin Ellen Harrington mit Hollywood bestens vertraut. "Von ganz oben bis ganz unten wussten die Leute Bescheid", sagte sie über die systematische Belästigung von Frauen in der Filmindustrie. "Es war eine Verschwörung des Schweigens."

Harrington, die kürzlich zur Direktorin des Deutschen Filminstituts in Frankfurt ernannt wurde, glaubt, dass die "Schande", mit der prominente Persönlichkeiten wie Weinstein belegt wurden, ein starkes Signal ist. In den USA würden sich nun mehr Menschen mit Familie und Freunden über persönliche Erfahrungen austauschen und stärker politisch aktiv sein. Harrington hofft, dass sich in Hollywood eine "neue Normalität" entwickelt, in der Frauen "die Architektinnen ihrer eigenen Geschichten" sein werden.

GMF 2018 women in culture
Von links: Urvashi Butalia, Ellen Harrington, Rokhaya Diallo, Karin Helmstaedt and Joumana HaddadBild: DW/R. Stewart

Es scheint, als würde sich selbst Bollywood - einst eine vor allem männliche Domäne - zum Besseren verändern. "Du bekommst jetzt diese erstaunlichen Filme von Frauen gemacht, von Frauen produziert, mit Frauen in den Hauptrollen", sagte Urvashi Butalia. "Junge Künstlerinnen in Indien brechen bei Themen wie Sexualität und Religion auf erstaunliche Weise Tabus."

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmerinnen darin, dass sich die Dinge auch dank #MeToo in die richtige Richtung bewegen. "Ich weiß nicht, was uns bevorsteht, aber was auch immer es ist: Es ist wirklich wichtig", sagte Butalia. "Es wird die Realität grundlegend verändern. Und du solltest darauf vorbereitet sein."

Kultur.21 zeigt die Diskussion am 16. und 17.6. sowie am 23. und 24.6. in voller Länge.