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CO-2 gerecht verteilen

Mathias Bölinger 10. Oktober 2007

Kleiner Kreis, höchstes Niveau: In Potsdam haben Nobelpreisträger mit der Bundeskanzlerin über die besten Mittel gegen den Klimawandel diskutiert, denn vor der großen Klimakonfernz in Bali müssen klare Konzepte her.

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Dampfwolken steigen aus den Kuehltuermen des Braunkohlekraftwerkes Jaenschwalde (Archivbild, AP)
Nach den USA und Kanada ist der CO-2-Ausstoß pro Kopf in Europa am höchstenBild: AP

Das Problem ist erkannt: Auf der Erde wird es zu warm. Die Lösung ist einfach: Die Menschheit muss weniger Treibhausgase ausstoßen. Nur die Umsetzung dieser Lösung stößt bisher noch auf Probleme: die Menschheit tut nämlich das Gegenteil. Sie stößt immer mehr Treibhausgase aus - vor allem die Industrieländer. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Sie wollen eben nicht auf das verzichten, das die Treibhausgase erzeugt. Und es gibt eine kompliziertere Erklärung: Die Menschen haben ein logisches Problem. Und genau das versuchte die deutsche Bundeskanzlerin Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch (10.10.) in Potsdam zu erklären: "Dass man selber billiger davonkommt, wenn man einem anderen Geld gibt, ist ein Effekt, der auf der Welt noch nicht sehr bekannt ist, und dafür müssen wir werben.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel
Angela Merkel wirbt für ein globales Emissions-HandelssystemBild: AP

Da war es ganz gut, dass im Publikum vor allem Menschen saßen, die öfter mit komplexen logischen Problemen zu tun haben: Geladen waren nämlich Nobelpreisträger aus aller Welt. Die Vorraussetzungen rechnete der Vorsitzende der internationalen Klimakommission, Rajendra Pachauri, vor: "Wenn wir die Erderwärmung auf 2 bis 2,4 Grad beschränken wollen, darf der Kohlendioxidausstoß noch bis 2015 steigen, danach muss er bis 2050 um 50 bis 85 Prozent abnehmen." Das sei eine schwierige Aufgabe, aber "wir müssen verstehen, dass die Folgen entsetzlich wären, wenn wir das nicht tun.“

Die Ethik des Klimaproblems

Um das zu verstehen, braucht man keinen Nobelpreis. Kompliziert wird es erst, wenn man anfängt, herumzurechnen, wer wie viel reduzieren muss: "Wir müssen über Kohlendioxid-Gerechtigkeit reden", sagte die kenianische Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai. Sie sei froh, zu sehen, "dass wir hier auch über Ethik und Moral sprechen. Es geht nicht nur darum, verantwortlich zu handeln, wir müssen auch gerecht handeln.“ Diese Forderung ist tatsächlich der schwierigste Punkt. Angela Merkel rechnet vor, warum: "Wenn wir uns die Welt heute anschauen, dann haben wir pro Kopf Emissionen von vier Tonnen pro Mensch." Sollten diese bis 2050 halbiert werden, ergäbe dies 2 Tonnen pro Kopf. "In Europa haben wir heute im Schnitt neun Tonnen pro Kopf, in Deutschland elf und in den USA 20 Tonnen. Und in China haben wir immerhin schon 3,5 Tonnen pro Kopf.“

Pro-Kopf-Ausstoß entscheidend

Bundeskanzlerin Angela Merkel und acht Forscher (9.10.2007, AP)
Acht Forscher, eine Kanzlerin - das "Symposium zur globalen Nachhaltigkeit" in PotsdamBild: AP

Wenn es gerecht zugehen soll, dann müssten also die USA ihren Ausstoß um 90 Prozent senken und Deutschland um mehr als 80 Prozent. Und die chinesische Wirtschaft, die ja die nächsten Jahrzehnte noch wachsen soll, muss gleichzeitig ihre Emissionen um fast die Hälfte senken. Dass sich diese Länder von diesen Zahlen überzeugen lassen, ist unwahrscheinlich. Und deshalb greift Merkel auch auf eine Disziplin zurück, die es schon öfter geschafft hat, die unwahrscheinlichsten Dinge logisch erscheinen zu lassen. Die Wirtschaftswissenschaft.

Emissionshandel als Entwicklungshilfe

Sie wirbt dafür, dass man mit CO2-Ausstoß handeln darf. "Wenn wir jetzt von morgen an ein globales CO2-Zertifikatesystem hätten, und jeder Mensch pro Kopf das Gleiche verbrauchen dürfte, dann hätten natürlich die Inder heute noch sehr viele Zertifikate übrig, die sie gar nicht brauchen." Und die Europäer und Amerikaner könnten diese Zertifikate kaufen. "Dann wird gesagt: dann würden wir aber Indien Geld geben – aber wofür eigentlich? Und dann sage ich, dass es die intelligenteste Form der Entwicklungshilfe wäre", so Merkel. Würde dann ein Großteil dieses Geldes investiert, um in Indien neue Technologien zu implementieren, hätten Europäer und Amerikaner zudem mehr Zeit, um ihre Emissionen zu reduzieren.

Von diesem System, das innerhalb der EU bereits eingeführt wird, will Merkel auf der nächsten Klimakonferenz in Bali die anderen Staatschefs der Welt überzeugen. Den Nobelpreisträgern jedenfalls schien die Logik der Kanzlerin plausibel.