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"Gleiche Pflichten, weniger Rechte"

Anne Allmeling13. Mai 2012

Carola Lehmann und ihre Lebensgefährtin fühlen sich als lesbisches Paar in Deutschland akzeptiert. Trotzdem können sie nicht wie ein heterosexuelles Paar heiraten. Das finden die beiden Frauen ungerecht.

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Carola Lehmann (links) und Ulrike Hund leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (Foto: DW)
LebenspartnerschaftBild: DW/A.Allmeling

Beim Stichwort "Diskriminierung" muss Carola Lehmann kurz überlegen. Die 44-Jährige aus Bonn lebt schon seit Jahren mit ihrer Partnerin zusammen, zeigt sich mit ihr als lesbisches Liebespaar – und fühle sich durchaus akzeptiert, sagt sie nach etwas Bedenkzeit. Manchmal guckten die Leute zwar, wenn sie und ihre Partnerin Hand in Hand durch die Stadt gingen. Aber was Homosexualität betrifft, sei die deutsche Gesellschaft der Politik voraus, sagt Carola Lehmann. Umso unverständlicher findet sie, dass lesbische und schwule Paare in Deutschland nicht genauso heiraten können wie heterosexuelle Paare.

Forderung nach gleichen Rechten

Eheschließungen von Homosexuellen sind bislang in nur wenigen Ländern erlaubt. In Europa gehören Belgien, Island, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien und Schweden dazu. Sechs Monate vor der Präsidentschaftswahl in den USA hat sich nun auch Barack Obama offen für die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen: Am vergangenen Mittwoch (09.05.2012) machte er sich öffentlich für die Rechte der Homosexuellen stark.

Ein Vorstoß, der auch in Deutschland ein Echo findet. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte einen Tag später ebenfalls die volle rechtliche Gleichstellung für homosexuelle Paare. Bislang gibt es in Deutschland lediglich die sogenannte eingetragene Lebenspartnerschaft. Sie wurde 2001 eingeführt und entspricht in vielen Punkten einer Eheschließung – aber eben nicht in allen. "Wir haben die gleichen Pflichten, aber weniger Rechte", fasst Carola Lehmann die Situation in Deutschland zusammen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Foto: dapd)
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger fordert Gleichstellung homosexueller PaareBild: dapd

Ungleichheit im Adoptionsrecht

So dürfen gleichgeschlechtliche Paare zum Beispiel keine Kinder adoptieren – jedenfalls nicht gemeinsam. Nur einer der beiden Partner darf ein Kind adoptieren. Das bedeutet: Ein lesbisches Paar, das in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, wird auf dem Papier wie eine alleinstehende Frau behandelt. "Wenn ich ein Kind adoptieren würde, hätte es offiziell nichts mit meiner Lebenspartnerin zu tun, obwohl wir als Familie zusammenleben", erläutert Carola Lehmann die Rechtslage.

Ein Zustand, den die Sozialpädagogin ungerecht findet. Auch deshalb bietet sie Coaching und Beratung für lesbische Frauen mit Kinderwunsch an. "Bis vor etwa 20 Jahren bedeutete lesbisch sein, auf Kinder verzichten zu müssen", sagt Carola Lehmann, die selbst keine Kinder hat. "Das ist heute anders." Medizinischer Fortschritt und die steigende Akzeptanz von Homosexuellen in der Gesellschaft hätten dazu beigetragen. Lehmanns Lebenspartnerin Ulrike Hund ergänzt: "Etwa die Hälfte der lesbischen Paare in meinem Bekanntenkreis wünscht sich Kinder." Ein Kind zu bekommen, kann für lesbische Frauen allerdings rechtlich komplizierter und teurer werden.

Das Paar Ulrike Hund und Carola Lehmann (Foto: DW)
Ulrike Hund (links) und Carola Lehmann aus Bonn leben in einer eingetragenen LebenspartnerschaftBild: DW/A.Allmeling

Nachteile beim Steuerrecht

Dass ein lesbisches Paar gemeinsam die Verantwortung für ein Kind übernimmt, ist gesetzlich nur dann möglich, wenn eine der beiden Partnerinnen die leibliche Mutter ist und die andere Partnerin dieses Kind anschließend adoptiert. Bei heterosexuellen Ehepaaren ist das anders: Wird ein Kind geboren, gelten beide Partner automatisch als die Eltern. Eine rechtliche Ungleichbehandlung, die Carola Lehmann und Ulrike Hund ungerecht finden.

Die Unionsparteien und verschiedene Glaubensgemeinschaften zögern allerdings, homosexuellen Paaren sämtliche Eheprivilegien zu gewähren. Die CDU argumentiert unter anderem mit dem Wohl des Kindes, das einen Anspruch auf einen Vater und eine Mutter habe. Eine gleichberechtigte Ehe für homosexuelle Paare widerspricht auch der Überzeugung von christlichen Kirchen und Muslimen.

Kampf gegen Benachteiligung

Bei der Diskussion um gleiche Rechte geht es allerdings nicht allein um Adoptionsrechte. Auch in anderen Punkten unterscheidet sich die eingetragene Lebenspartnerschaft von der Ehe: zum Beispiel, was die Besteuerung der Partner betrifft. Ehepaare können vom so genannten Ehegatten-Splitting profitieren, das in der Regel zu einer Verringerung der gemeinsamen Steuerlast führt. Für lesbische und schwule Paare gilt das Ehegatten-Splitting allerdings nicht. Ulrike Hund findet diese Regelung inkonsequent: Als offiziell "verpartnerte" Bundesbeamtin bekommt sie wie ihre verheirateten Kollegen einen Familienzuschlag. Gleichzeitig gilt sie für die Steuerbeamten als ledig.

Manches, was für Ehepaare selbstverständlich ist, müssen sich homosexuelle Partner erst erkämpfen. Dazu gehören finanzielle Vergünstigungen wie Familien- und Partnerkarten bei öffentlichen Verkehrsmitteln, Vereinen und Museen. "Das ist für uns noch lange keine Selbstverständlichkeit", sagt Carola Lehmann. "Ich zögere manchmal und denke: Was passiert, wenn ich danach frage?" Sie wünscht sich, dass homosexuelle Paare künftig nicht nur die gleichen Pflichten, sondern auch die gleichen Rechte haben wie heterosexuelle Ehepaare – und hat sich eins fest vorgenommen: gemeinsam mit ihrer Lebenspartnerin dafür zu kämpfen.

Carola Lehmann aus Bonn (Foto: DW)
Carola Lehmann berät Lesben mit KinderwunschBild: DW/A.Allmeling