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Glauben im Alltag

1. März 2014

Im Alltag ist nicht so einfach den Glauben umzusetzen, aber es kommt nicht nur auf meinen eigenen Glauben an - sagt Lucie Panzer von der evangelischen Kirche.

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Bild: Fotolia/Kitty

Am Sonntag fällt das Glauben leicht

Am Sonntagmorgen oder am Feiertag, da scheint das Glauben irgendwie einfach. Wer mag, geht in den Gottesdienst, da kann man mit anderen zusammen singen, das tut gut. Man kann mit anderen beten, dazu rafft man sich im Alltag ja dann doch oft nicht auf. Wenn es gut geht, hört man ein paar tröstliche Worte, die bauen einen auf.

Die Sätze der Bibel passen oft nicht zu unseren Krisen

Aber im Alltag, da ist es dann gar nicht mehr so einfach, den Glauben auch umzusetzen. Am Sonntag kann ich beten: „wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ aber am Montag oder Dienstag fällt das so schwer und ich sage womöglich: „was du getan hast – da komme ich nicht drüber weg. Ich will dich nicht mehr sehen“. Am Sonntag kann ich vielleicht mit den anderen bekennen „ich glaube… an die Auferstehung der Toten“. Aber am Mittwoch ruft mich die Freundin an, weil sie vom Arzt eine schlimme Diagnose bekommen hat – und lässt mich fassungslos zurück. Wer wird jetzt mit mir lachen? Vor allem: Wie soll ich ihr jetzt begegnen?

So oft weiß ich auch keinen Rat und erst Recht keinen Trost. Im Alltag ist mein Glaube manchmal irgendwie zu schwach. Ich denke, Sie kennen das. Manchmal sagen Leute zu mir, die das auch kennen: „Ja, wenn man glauben könnte wie Sie, Frau Pfarrerin, dann könnte man vielleicht besser damit umgehen.“

Manchmal frage ich mich, was sie damit meinen. Vielleicht denken sie, dass man sich als Pfarrerin besser auskennt in der Bibel, dass man Verse auswendig weiß oder so etwas? Gewissermaßen ein gut geschnürtes Glaubenspaket aus Sätzen und Wissen als Vorrat für schwierige Situationen? Aber hilft es im Ernstfall wirklich, dass man ein paar Sprüche aus der Bibel oder Verse aus dem Gesangbuch im Kopf hat?

Manchmal schon. Manchmal verschlägt es einem die Sprache, dann kann es schon helfen, wenn man sich selbst oder andere erinnern kann: „Gott hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten!“ oder „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn Gott ist bei mir.“ Oder wenn ich jemanden, der zu wenig nach sich selbst schaut, ermutigen kann: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“

Trotzdem bin auch ich oft ratlos und weiß einfach nicht weiter. Dann habe ich Angst, dass ich dem nicht gewachsen bin, was kommt. Meine Erfahrung ist: Dann hilft das, was ich weiß und auswendig kenne oft auch nicht. Weil meine Kraft am Ende ist. Auch zum Glauben braucht man Kraft. Dann braucht es andere, die mich festhalten, damit ich nicht ins Bodenlose falle. Freunde, die sich nicht wegschicken lassen, wenn ich sage: „Ach lass mal, ich komme schon allein zurecht.“ Die da sind und da bleiben und für mich glauben. Und mit mir warten, dass ich es auch wieder kann.

Gott kann mich aus Krisen herausführen

Und manchmal erlebe ich auch: Nicht auf meinen eigenen Glauben kommt es an, nicht auf meine eigene Kraft und nicht auf meinen eigenen Mut. Da kann man nie ganz sicher sein. Da muss man immer wieder Angst haben, ob die reichen. Aber Gott - Gott kann helfen. Kann mir den Rücken stärken. Kann mir helfen durchzuhalten und nicht umzuknicken. Kann mir die Freunde schicken, die mich stützen und trösten. Kann mir zeigen, was ich tun kann und was anderen hilft. Dietrich Bonhoeffer hat das mal so gesagt: „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selber, sondern allein auf ihn verlassen.“

Mit diesem Gottvertrauen kann man sich auf Situationen einlassen, denen man sich nicht gewachsen fühlt und die einem Angst machen. Mit diesem Gottvertrauen kann man erste Schritte machen. Zögernd vielleicht und zittrig und weich in den Knien.

Aber meine Erfahrung ist: es geht! Ich hatte solche Angst, die traurige Freundin anzurufen. Und dann hatten wir einen so schönen Nachmittag zusammen. Ich konnte mich lange nicht überwinden, den Kollegen anzusprechen, mit dem ich einen Konflikt hatte. Und dann hatte der schon darauf gewartet, dass wir aus dem Streit endlich herauskommen. Manchmal gelingt mehr, als ich für möglich gehalten hätte. Dann spüre ich: Gott hat geholfen. Ich finde: Sich darauf zu verlassen, macht Mut.

die evangelische Pfarrerin Lucie Panzer Stuttgart
Die evangelische Pfarrerin Lucie PanzerBild: GEP

Zur Autorin:Lucie Panzer (geb. 1955 in Stadtoldendorf, Weserbergland) ist Pfarrerin der württembergischen Landeskirche im Landespfarramt für Rundfunk und Fernsehen. Sie studierte evangelische Theologie in Bethel, Göttingen und Tübingen. Nach vier Jahren als Vikarin und Pfarrvikarin an der Stiftskirche in Tübingen folgte eine neunjährige Familienpause. Ab 1995 ist sie Rundfunkbeauftragte der württembergischen Landeskirche zunächst für den Südwestfunk, ab 1998 für den Südwestrundfunk. Lucie Panzer hat seit 2008 einen Lehrauftrag für Homiletik an der Universität Tübingen. Sie hat vier erwachsene Kinder und lebt in Stuttgart.