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Giuliana Sgrena: Regierung Berlusconi zeigt "mangelnden politischen Willen zur Aufklärung"

17. Januar 2006

Italienische Journalistin und frühere Irak-Geisel im Interview von DW-RADIO - "Ich will Gerechtigkeit, keinen Sündenbock"

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Giuliana SgrenaBild: dpa

Die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi zeige "mangelnden politischen Willen zur Aufklärung". Das sagte die italienische Journalistin und frühere Irak-Geisel Giuliana Sgrena in einem Interview von DW-RADIO zu den laufenden Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft im Fall Nicola Calipari. Der italienische Geheimagent war bei der Befreiung Sgrenas am 4. März 2005 ums Leben gekommen, als US-Soldaten an einem Checkpoint in der Nähe des Flughafens Bagdad das Feuer auf den Wagen mit der gerade befreiten Geisel eröffneten.

"Die Tatsache, dass die italienische Staatsanwaltschaft den Mörder Caliparis, also den US-Marineinfanteristen Mario Lozano, wegen vorsätzlicher Tötung angeklagt hat, ist ein ganz wichtiger Schritt. Aber die Schwierigkeiten, die uns auch in Italien in den Weg gelegt werden, um der Gerechtigkeit näher zu kommen, sind gewaltig. Denn das würde zwangsläufig eine juristische Auseinandersetzung zwischen Italien und den USA bedeuten. Und es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Regierung Berlusconi bereit ist, diese Auseinandersetzung zu führen", sagte Sgrena in der Deutschen Welle.

Auf Nachfrage begründet Giuliana Sgrena ihren Vorwurf: "Die italienische Staatsanwaltschaft hat eine offizielle Anfrage an die zuständigen US-Behörden geschickt. Die Ermittler haben den Schützen Mario Lozano auf Grund des Untersuchungsberichts der US-amerikanischen Militärkommission namentlich identifiziert. Aber eben nur namentlich, nicht physisch. Die italienische Staatsanwaltschaft will Lozano vernehmen, um festzustellen, wie sich seine Einheit in der fraglichen Nacht zusammengesetzt hat und warum die Schüsse gefallen sind. Aber die USA haben die Anfrage ignoriert. Für sie ist der Fall schon lange abgeschlossen. Und obwohl der italienische Justizminister diese Anfrage persönlich unterschrieben hat, tut er jetzt nichts, um ihr Nachdruck zu verleihen."

Es gehe ihr aber, so Giuliana Sgrena im deutschen Auslandsrundfunk weiter, bei ihren eigenen Recherchen in diesem Fall nicht nur um den Schützen Mario Lozano, sondern um diejenigen, die "die verfehlte Politik der Todesschüsse" im Irak zu verantworten hätten. Sgrena: "Auch Mario Lozano, also der Soldat, der die tödlichen Schüsse abgefeuert hat und der jetzt von der italienischen Staatsanwaltschaft angeklagt wird, ist ein Opfer dieses Krieges und ein Opfer der Politik von Präsident Bush. Ich will nicht, dass ein Modell-Fall konstruiert wird und ihm die alleinige Verantwortung zugeschoben wird für etwas, was eigentlich die US-Regierung zu verantworten hat. Ich will Gerechtigkeit, keinen Sündenbock."

17. Januar 2005
027/05