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Gewitter: "Risiko für Tiere viel größer"

Conor Dillon / hf29. August 2016

Wie können Hunderte Rentiere während eines einzigen Gewitters sterben? Wir haben einen Hochspannungs-Experten gefragt. Volker Hinrichsen erklärt, warum vier Beine beim Blitzeinschlag gefährlicher sind als zwei.

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Tote Rentiere liegen in Norwegen auf dem Boden (Foto: Reuters).
Über 300 Rentiere wurden in Norwegen vom Blitz getroffenBild: Reuters/SNO/Miljodirektoratet/NTB Scanpix/H. Kjotvedt

Auf der norwegischen Hardangervidda-Hochebene wurden nach einem Gewitter Hunderte Rentiere tot aufgefunden. Einer ersten Theorie nach wurden die Tiere von einem Blitz getroffen und getötet. Es gibt aber auch andere Erklärungen - etwa, dass der plötzliche Tod nach vorausgegangener Krankheit eintrat oder die Tiere durch einen nahe gelegenen Blitzschlag einen Schock erlitten.

Deutsche Welle: Professor Hinrichsen, wie können so viele Tiere von einem Blitz getroffen werden?

Volker Hinrichsen: In der Regel hat ein Blitz immer mehrere Berührungspunkte. In einem Umkreis von einem Kilometer schlägt er an verschiedenen Stellen ein. Das könnte erklären, warum im Fall von Norwegen eben auch gleich eine ganze Gruppe von Tieren davon betroffen war.

Sobald ein Blitz auf dem Boden endet, fließen sehr hohe Ströme - über 200.000 Ampere. Wenn dann die elektrische Leitfähigkeit des Bodens nicht gut ist, fließt der Strom sehr nah an der Oberfläche entlang. Dann kommt es zur sogenannten Schrittspannung - die Differenz der verschiedenen Punkte lässt sich messen. Nehmen wir zum Beispiel an, dass wir einen großen Schritt machen. Hierbei kommt es zu einer Spannungsdifferenz zwischen unseren beiden Füßen, die, sagen wir mal, 80 Zentimeter voneinander entfernt sind. Der Strom fließt dann hauptsächlich durch unsere Beine und unseren Bauch - aber nicht durch unser Herz.

Bei Tieren ist das ganz anders: Sie machen viel größere Schritte - vielleicht anderthalb bis zwei Meter. Dadurch ist auch die Schrittspannung viel größer. Wenn der Strom dann durch die vorderen und hinteren Beine fließt, wird er jedes Mal auch durch das Herz der Tiere fließen. Die Lebensgefahr ist deshalb viel größer.

Also haben Giraffen ein größeres Risiko, an einem elektrischen Schlag zu sterben als zum Beispiel eine Maus - weil sie größere Schritte machen?

Ja, das ist richtig. Genau dasselbe gilt für Rinder. Eine kleine Maus hat dagegen ein sehr geringes Risiko, durch einen Blitzeinschlag getroffen und verletzt zu werden.

Und ein Bär, der auf allen Vieren unterwegs ist, ist gefährdeter als wenn er auf beiden Beinen steht?

Es gibt zwei verschiedene Arten von Risiko: Wenn ein Bär auf allen Vieren geht, würde es zu einer höheren Schrittspannung kommen - aber das Risiko getroffen zu werden ist geringer.

Wenn der Bär aber aufrecht steht, ist die Schrittspannung geringer - dafür aber das Risiko, direkt getroffen zu werden, größer. Denn Bären sind gut zwei bis zweieinhalb Meter groß.

Also haben Bären einfach Pech?

Ja.

Wie können Menschen sich schützen?

Beide Füße eng zusammen stellen, um keine große Spannung dazwischen entstehen zu lassen. Und am besten in die Hocke gehen und sich klein machen.

Was ist die beste Art von Boden während eines Gewitters?

Feuchter Boden. Wenn Pflanzen wachsen und es vor kurzem geregnet hat, dann ist der Boden sehr feucht und die elektrische Leitfähigkeit umso höher. Der gefährlichste Boden ist ein felsiger Untergrund. In Norwegens Hardangervidda zum Beispiel gehe ich davon aus, dass der Boden sehr steinig ist. Die elektrische Leitfähigkeit ist dann nur gering. Das erklärt, warum die Schrittspannung dort so hoch ist.

Volker Hinrichsen ist Professor für Elektrotechnik und Leiter des Fachgebiets Hochspannungstechnik an der Technischen Universität Darmstadt.

Das Interview führte Conor Dillon.