Gewalt bei neuen Massenprotesten im Jemen
25. September 2011In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa sind am Sonntag (25.09.2011) erneut zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Sie fordern den Rücktritt von Präsident Ali Abdullah Saleh. Regierungstruppen eröffneten das Feuer auf die Demonstranten. Dabei wurde nach Angaben des Fernsehsenders Al-Arabiya mindestens ein Mensch getötet.
Scharfschützen gegen Unbewaffnete
Bereits am Samstag hatten Saleh-treue Truppen die Zeltstadt der Opposition im Zentrum von Sanaa angegriffen. Augenzeugen berichteten von chaotischen Szenen. Heckenschützen auf Hausdächern hätten in die unbewaffnete Menge gefeuert. Menschen seien in Panik geflüchtet. Zur selben Zeit hätten Saleh-Truppen die Garnison von General Al-Ahmar mit Granaten beschossen. Der Militärführer unterstützt die Opposition.
Der seit 33 Jahren autoritär herrschende Saleh war erst am Freitag aus Saudi-Arabien zurückgekehrt. Dort hatte er sich seit Juni von seinen Verletzungen nach einem Anschlag erholt. Seit Salehs Rückkehr haben sich die Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition verschärft. Allein am Samstag starben mindestens 40 Menschen.
Kritik an Saleh-Rückkehr
Die Rückkehr von Saleh sei "nicht das Signal, das die Bundesregierung sich gewünscht" habe, erklärte der deutsche Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel. Er forderte ein Ende der Gewalttaten. Regierung und Opposition müssten in einen echten politischen Dialog treten.
Niebel hatte sich am Rande der Weltbank-Jahrestagung in Washington mit dem jemenitischen Außenminister Abubakr al-Kirbi getroffen. Nach Angaben deutscher Diplomaten will die Regierung in Sanaa im Januar 2012 wählen lassen. Dies verlautete am Rande der Weltbank-Tagung aus deutschen Delegationskreisen.
Auch der UN-Sicherheitsrat äußerte sich besorgt über die eskalierende Gewalt. Das Gremium rief am Samstag in New York alle Beteiligten zu "maximaler Zurückhaltung" auf. Alle Seiten müssten "Gewalt ablehnen", vor allem gegen "friedliche und unbewaffnete Zivilisten", und sich am politischen Übergangsprozess beteiligen.
USA fordern Rücktritt von Saleh
Die US-Regierung forderte erneut den Rücktritt von Präsident Saleh und verurteilte den jüngsten Ausbruch der Gewalt im Jemen. "Zu viele Jemeniter haben schon ihr Leben verloren", erklärte US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland am Samstag in Washington.
"Jeder weitere Tag ohne einen friedlichen und geordneten (Macht)-Übergang ist ein weiterer Tag, an dem die Menschen im Jemen gezwungen sind, in einer instabilen Umgebung zu Leben, die ihre Sicherheit und Existenz gefährdet", sagte Nuland. Bis Ende des Jahres müsse im Jemen ein neuer Präsident gewählt werden.
Zweifel an Kompromissbereitschaft des Präsidenten
Salehs Rückkehr deute darauf hin, dass er die Machtfrage mit Gewalt lösen wolle, sagte der politische Analyst und Mitbegründer der Bewegung "Demokratisches Erwachen", Abdulghani al-Iryani, der Nachrichtenagentur Reuters. "Seine Leute werden denken, sie seien nun in einer stärkeren Position und sie werden deswegen Kompromisse ablehnen." Der politische Prozess sei durch die Rückkehr tot.
Saleh stellte am Sonntag erneut klar, dass er nicht an einen Rücktritt denkt. Ein friedlicher Machtwechsel könne allein über Wahlen erfolgen, sagte er in einer landesweit übertragenen Rede. Schuld an dem jüngsten Blutvergießen sei allein die Opposition. Salehs Gegner werfen ihm Korruption und massive Gewalt gegen die Opposition vor.
Der Jemen gilt als strategisch besonders sensibel. Das verarmte Land grenzt an Saudi-Arabien, den weltweit größten Erdölexporteur. Außerdem ist der Jemen Rückzugsgebiet der einflussreichsten unter den regionalen Al-Kaida-Gruppen.
Autor: Nils Naumann (dpa, afp, reuters)
Redaktion: Dirk Eckert