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Gestern Dorf - heute Großstadt

12. Januar 2002

Vor dreißig Jahren war Cancún noch ein winziges Fischerdorf auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán. An den weißen Sandstränden tummelten sich Schildkröten, und an den Ufern räkelten sich Krokodile träge in der Sonne.

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Hotelburgen säumen heute die KaribikküsteBild: AP

Nach Sonnenuntergang waren Mond und Sterne die einzigen Lichtquellen. Heute ist Cancún eine Großstadt mit rund einer halben Million Einwohnern. Über die breiten Avenidas donnert der Verkehr, und auf der über eine Brücke mit dem Festland verbundenen vorgelagerten Insel ragen 60 Strandhotels in den Karibikhimmel. Mit rund drei Millionen Touristen pro Jahr ist Cancún das mit Abstand meistbesuchte Reiseziel in Mexiko - und hat mit allen Problemen eines rasanten städtischen
Wachstums zu kämpfen. Der Massentourismus hat die "Riviera Maya", wie die Karibikküste des Bundesstaates Quintana Roo auch genannt wird, für alle Zeiten verwandelt.

In den 70er Jahren ging's los...

Tourist entspannt am Pool
Bild: AP

Die Entscheidung, die einstige Piratenküste aus ihrem
Dornröschenschlaf zu reißen, hatte die mexikanische Regierung 1968 getroffen. Sie wollte aus den so unglaublich weißen Stränden und dem türkisblauen klaren Wasser Kapital schlagen und mit Touristendollars die Zahlungsbilanz aufbessern. Ein Expertenteam der Bank von Mexiko legte Cancún als den geeigneten Flecken fest, und Anfang der 70er
Jahre begannen die Bauarbeiten. 1975 öffneten die ersten Hotels, und schon bald hatte Cancún, dessen Maya-Name so viel wie "Schlangennest" bedeutet, auf den Landkarten der Reiseveranstalter seinen festen Platz. Im Jahr 1980 kamen schon 460 000 Touristen, 20 Jahre später waren es 3,04 Millionen, davon drei Viertel aus dem Ausland.

In dem Maße, wie Cancún sonnenhungrige Amerikaner und Europäer in seinen Bann schlug, setzte es auch eine innermexikanische Völkerwanderung in Gang. Der Lockruf der Arbeitsplätze zog junge Leute aus den entlegensten Provinzen an. Die Einwohnerzahl Cancúns ist seit 1970 um sagenhafte 100 000 Prozent gestiegen, die des Bundesstaates Quintana Roo hat sich von 88 000 auf rund 850 000 nahezu verzehnfacht. Damit wuchsen auch Müll- und Abwasseraufkommen. Und weil der Wohnbedarf der Neusiedler nicht so schnell befriedigt werden konnte, entstanden an den Ortsrändern Cancúns und des 60 Kilometer südlich gelegenen Playa de Carmen wilde Elendssiedlungen.

Die Bauarbeiten gehen weiter...

Massentourismus in Concun, Mexiko
Bild: AP

Zu den inzwischen alteingesessenen Einwohnern Cancúns gehört der in Jena geborene Reiseunternehmer Rudolf Bittorf (55), der seit vielen Jahren die Bundesrepublik Deutschland als Honorarkonsul vertritt. Er war 1973 als Vertreter eines Reiseunternehmens auf die südöstlich von Cancún gelegene Insel Cozumel geschickt worden. "Damals war Cancún eine große Baustelle, es gab eine Straßenkreuzung, eine Tankstelle, aber noch kein einziges Hotel", erinnert sich
Bittorf. Seiner Meinung nach hat Cancún die Wachstumsprobleme relativ gut in den Griff bekommen. So seien von Anfang an auch Kläranlagen und Mülldeponien gebaut worden. Tatsächlich wirken die Straßen Cancúns sauberer als in anderen mexikanischen Großstädten.

Cancún ist längst nicht mehr das einzige Strand-Resort an der mexikanischen Karibikküste. Während Cancún inzwischen ausgewachsen zu sein scheint und die Zahl der Hotels kaum noch steigen dürfte, macht zur Zeit vor allem Playa de Carmen mit einem zügellosen Wachstum von sich reden. "Von einem Besuch auf den anderen verliere ich mich dort, und das obwohl ich einen guten Orientierungssinn habe", erzählt Bittorf. In der Nähe von Playa de Carmen stoppte das
Umweltministerium im August ein Hotelprojekt der spanischen Gruppe Meliá, weil an dem Strandabschnitt Meeresschildkröten nisten.

Cancúns Zukunft sieht Bittorf optimistisch. Wegen der strategisch guten Lage zwischen Nord-, Mittel- und Südamerika und der hervorragenden Infrastruktur werde der Ort auch immer öfter für internationale Tagungen genutzt. "Die Zukunft Cancúns ist nicht mehr rein vom klassischen Badeurlauber abhängig", meint der Konsul.