1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Geschichte im Kleinformat

Katharina Borchardt1. April 2003

Täglich werden sie in alle Welt geschickt: die Briefmarken. Was zuerst nur der Beleg über die Zahlung des Portos war, ist heute eine eigene kleine Nachricht für sich.

https://p.dw.com/p/3RfF
Happy Birthday, Deutsche Welle!Bild: Deutsche Post World net

"Für uns sind Briefmarken kleine Kunstwerke und sollen etwas über die Geschichte und Kultur unseres Landes erzählen", umreißt Wolfgang Schelenz, Leiter des Referates Postwertzeichen im Bundesfinanzministerium (BMF), den großen Auftrag der kleinen Marken. "Deutsche Briefmarken sind im Ausland sehr angesehen und der Lerneffekt über unser Land durch die Marken ist enorm."

Von der Idee bis zur Marke

Doch nicht nur im Ausland mehren die Marken das Wissen über Deutschland. In Deutschland selbst haben sie die Funktion kleiner Denkmäler, die Eindrücke von deutscher Politik, Geschichte, Kunst und Architektur vermitteln und damit das kollektive Gedächtnis stützen sollen. Dazu tragen auch die Informationsblätter bei, die zu jeder Briefmarke erscheinen und an Sammler in aller Welt verschickt werden. Doch welche Personen, Jahrestage und Ideen sind es wert, dass eine Marke an sie erinnert?

75 Jahre Nordatlantikflug Ost-West, Sonderbriefmarke
75 Jahre Nordatlantikflug Ost-West Ausgabetag: 10. April 2003Bild: Deutsche Post World Net

Vorschläge für das Thema einer Marke kann jeder machen. Im Bundesfinanzministerium gehen jährlich 800 bis 1.000 Vorschläge von Politikern, Vereinen und auch Privatpersonen ein. Programm- und Kunstbeirat entscheiden darüber, welche Anregungen mit welchen künstlerischen Mitteln umgesetzt werden. Diese Entscheidungen brauchen ihre Zeit: Von der Idee bis zum Vertrieb der Marke am Postschalter dauert es in der Regel ein Jahr.

110 Millionen Mal Kölner Dom

Der zunächst über die Themen entscheidende Programmbeirat setzt sich u.a. aus Vertretern des Finanzministeriums, der Post, des Philatelisten-Bundes und Vertretern der Parteien zusammen. Einige Serien sind jedoch bereits seit vielen Jahren feste Größen im Briefmarkenprogramm des BMF, wie z.B. die Serien "Für die Jugend", "Für uns Kinder" oder "Für die Wohlfahrtspflege". Die Themen anderer Marken können frei gewählt werden.

50 Jahre Deutscher Kinderschutzbund
50 Jahre Deutscher Kinderschutzbund Ausgabetag: 10. April 2003Bild: Deutsche Post World Net

Im Kunstbeirat sitzen neben offiziellen Vertretern auch vier Graphiker. Pro Briefmarke werden sechs bis acht Künstler gebeten, Entwürfe einzureichen. Danach wird diskutiert, abgestimmt und am Ende gedruckt. Das Bundesfinanzministerium gibt jährlich rund 50 neue Briefmarken heraus. Die Auflagenzahlen sind dabei sehr unterschiedlich: Nicht jede der Marken erreicht ein Auflagenzahl von 110 Millionen Stück wie das Motiv des Kölner Doms.

Politische Mission

"Gewaltdarstellungen und nackte Menschen sind natürlich ein Tabu für unsere Marken", sagt Wolfgang Schelenz. "Ebenso dürfen wir – abgesehen vom Bundespräsidenten – keine noch lebenden Personen abbilden. Eine Briefmarke von Heidi Klum, wie es sie beispielsweise seit letztem Jahr in Grenada gibt, wäre in Deutschland undenkbar." Sicherlich nicht nur der Lebendigkeit des Top-Models wegen, sondern auch, weil Glamour auf einer deutschen Briefmarke nichts zu suchen hat. Da müssen schon historische Jahrestage oder große (und vor allem anerkannte) Politiker oder Künstler her, die für das aktuelle deutsche Selbstverständnis von Bedeutung sind.

Es gibt aber auch Marken, die mehr in die Zukunft weisen als an die Vergangenheit gemahnen, wie beispielsweise jene Reihen, die Umweltschutzthemen aufgreifen oder Frauen in ihrer Bedeutung für deutsche Geschichte, Politik und Kultur würdigen. Indem Themen dieser Art in der Diskussion bleiben, wird auch der Versuch unternommen, ihren Einfluss auf Gegenwart und Zukunft zu stärken.

Präsentable Portogebühr

Dass die Briefmarke also einfach ein Zahlungsbeleg über die Entrichtung der Portogebühr war, ist lange her. Heute sind diese Marken zwar immer noch Quittungen, aber Quittungen mit einem Auftrag: In Kleinformat sollen sie sowohl an das nach aktuellen Maßstäben Präsentabelste einer Gesellschaft erinnern als auch auf Gegenwart und Zukunft einwirken.