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Gero Bisanz Interview

10. Juni 2011

Er gilt als Pionier des deutschen Frauen-Fußballs: Gero Bisanz, einst DFB-Chefausbilder, war 14 Jahre lang für das Nationalteam verantwortlich. Im DW-Interview spricht der 75-Jährige über die Anfänge und die WM 2011.

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Gero Bisanz (Foto: picture-alliance)
Bild: picture-alliance/Sven Simon

Gero Bisanz war Mitbegründer und von 1982 bis 1996 Chefcoach der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft. Er führte die DFB-Auswahl zu drei Europameistertiteln. Der heute 75-Jährige leitete von 1980 an auch die DFB-Trainerausbildung in der Nachfolge von Hennes Weisweiler. Bisanz blickt zurück auf seine Arbeit und auf die kommende Weltmeisterschaft in Deutschland. Das Gespräch führte Arnulf Boettcher.

DW-WORLD.DE: Gero Bisanz, wer wird denn Fußball-Weltmeister?

Gero Bisanz: Wenn ich das wüsste, würde ich Ihnen das gerne sagen. Ich weiß aber, dass unsere Mannschaft eine gute Chance hat. Mein Wunsch wäre es, unter die letzten vier und dann auch ins Endspiel zu kommen. Dann ist alles drin. Es ist aber kein Selbstläufer. Bundestrainerin Silvia Neid weiß das auch. Aber sie tritt sehr selbstbewusst auf, auch vor der Mannschaft. Und so treten auch die Spielerinnen selbstbewusst in der Öffentlichkeit, im Training und im Spiel auf. Das ist sicherlich keine Überheblichkeit. Das ist eine Grundlage, um erfolgreich zu spielen.

Wenn Sie auf Ihre Zeit als Cheftrainer zurückblicken, was hat sich seitdem verändert?

Die Aufmerksamkeit durch die Medien hat sich sehr stark geändert. Und auch die Aufmerksamkeit im männlichen Bereich, wenn ich etwa sehe, dass Günther Netzer die Frauen-WM ausgelost hat. Diese Anerkennung haben sich die Mädels verdient. Viele Männer sagen inzwischen auch, dass die Frauen wirklich einen guten Fußball spielen. Den kann man sich auch als Mann anschauen. Das finde ich gut. Diese Veränderung ist schrittweise passiert.

Frauen-Europameisterschaft 1989 in Deutschland, Siegerehrung nach dem Finale (4:1) gegen Norwegen: (v.l.) Frauke Kuhlmann, Marion Isbert, Sissy Raith, Silvia Neid, Trainer Gero Bisanz, Jutta Nardenbach (Foto: picture-alliance)
Der erste große Titel: Bisanz führte die DFB-Elf mit Silvia Neid (3.v.r.) 1989 zur EuropameisterschaftBild: picture alliance/augenklick/GES

Ich habe ja alles noch alleine gemacht: Konditionstraining, technisch-taktisches Training, mentales Training, Aufbauarbeit und so weiter. Nach ein paar Jahren habe ich mir Co-Trainerin Tina Theune-Meyer geholt, die mir geholfen hat, weil es einfach zu viel wurde. Ich hatte ja noch meinen eigentlichen Job als Trainerausbilder. Ich musste das im Grunde nebenbei machen. Wenn ich meine Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft sehe: Wir sind Vizeweltmeister geworden unter den damaligen Bedingungen. Jetzt steht mehr Geld für Lehrgänge und zwei Monate Vorbereitung zur Verfügung.

Nur zwei Wochen WM-Vorbereitung

Und wieviel Zeit hatten Sie für die Vorbereitung?

Wir hatten nur zehn oder vierzehn Tage maximal Zeit und mussten dann ran. Aber man muss die Erfolge, die wir damals hatten, auch unter den damaligen Situationen sehen, die einfach schwieriger waren. Der Vereinsfußball war kaum ausgebildet. Es gab in der Anfangszeit nach der ersten Europameisterschaft auch keine Bundesliga. Die ist ja erst 1990 gegründet worden. Wir hatten schon schwierigere Bedingungen, aber genauso viel Spaß am Fußball wie die Mädels heute.

Und wenn sie die Mädels vergleichen, was die heute auf dem Spielfeld bringen, sind die viel weiter?

Sie sind heute mit Sicherheit athletischer. Mit der Athletik kommt automatisch auch die verbesserte Koordination, die Technik. Und wenn man technisch versiert ist, kann man taktisch handeln. Da hat sich schon einiges nach oben bewegt. Aber wenn ich mir unser Spiel, unseren ersten Europameisterschafts-Gewinn 1989 in Osnabrück anschaue, haben wir da schon auf technisch sehr, sehr gutem Niveau gespielt. Wenn Sie sich die Tore heute anschauen: Linksaußen Uschi Lohn hat da die Abwehr ausgespielt und mit einem Heber das Tor gemacht. Das war schon sehr gut. Aber heute ist der Frauenfußball selbstverständlicher und vor allen Dingen auf eine breitere Basis gestellt worden. Es sind also mehr Mädels gut ausgebildet als damals.

Das Gespräch führte Arnulf Boettcher
Redaktion: Wolfgang van Kann