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Gericht setzt Yingluck ab

Rodion Ebbighausen7. Mai 2014

Thailands Premierministerin Yingluck Shinawatra und neun Minister sind wegen Amtsmissbrauchs verurteilt worden. Die Opposition jubelt, doch eine politische Lösung liegt ferner denn je.

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Yingluck Shinawatra (Foto: REUTERS/Damir Sagolj/Files)
Bild: Reuters

Am Mittwoch (07.05.2014) wurden Übergangspremierministerin Yingluck Shinawatra und neun Minister ihres Kabinetts vom thailändischen Verfassungsgericht wegen Amtsmissbrauchs verurteilt. Sie könne ihr Amt als Übergangspremierministerin nicht weiter ausüben, so ein Verfassungsrichter in einer Fernsehübertragung. Das Urteil ist rechtskräftig. Da aber nicht das ganze Kabinett betroffen ist, kann die Übergangsregierung die Amtsgeschäfte vorerst weiterführen. Kurze Zeit nach der Urteilsverkündung ernannte die Übergangsregierung Niwatthamrong Boonsongpaisan zum neuen Übergangspremierminister. "Das Urteil ist mild", urteilt Wilfried A. Herrmann, geschäftsführender Direktor der thailändischen "Human Development Forum Foundation", "weil genügend Minister im Amt verbleiben, um die Regierung weiter zu führen, wenn auch ohne Yingluck."

Streit um Sicherheitsberater

Im Prozess gegen Yingluck ging es um den Austausch des Vorsitzendes des nationalen Sicherheitskommittes Thawil Pliensri nach ihrer Wahl zur Premierministerin im Jahr 2011. Beim Vorsitzenden des nationalen Sicherheitskomitees handelt es sich um ein hohes Amt, das mit weitreichenden politischen Befugnissen ausgestattet ist. In vielen Ländern ist es üblich, dass neue Regierungen Schlüsselpositionen neu besetzen. Yingluck sagte vor dem Verfassungsgericht, dass sie im Interesse des Landes gehandelt habe. Die Kläger vertraten die gegenteilige Ansicht. Die neue Regierung habe rechtswidrig in die Administration eingegriffen. Das oberste Verwaltungsgericht folgte dieser Ansicht bereits im März (07.03.2014) und urteilte, dass der nationale Sicherheitsberater seinen Posten zurückerhalten müsse. Das Urteil des Verfassungsgerichts bestätigte diese Rechtsauffassung nun erneut und enthebt alle damals an der Versetzung beteiligten Regierungsmitglieder des Amtes.

Thailänder jubeln nach dem Rücktritt von Ministerpräsidentin Shinawatra (Foto: Reuters)
Nach der Urteilsverkündung brach bei den Unterstützern der Opposition Jubel ausBild: Reuters

Urteil vorhersehbar

Das Urteil war keine Überraschung. Es ist kein Geheimnis, dass Thailands Gerichte die gegenwärtige Regierung nicht schätzen. Es ist das dritte Mal seit 2006, dass das Verfassungsgericht einen Premierminister des Amtes enthebt. 2008 stolperte Premierminister Samak Sundaravej über seine Nebentätigkeit als Fernsehkoch. Im gleichen Jahr wurde sein Nachfolger Samchai Wangsamat wegen Wahlbetruges schuldig gesprochen und anschließend für fünf Jahre von allen politischen Ämtern ausgeschlossen. Beiden Verurteilten war von der Opposition vorgeworfen worden, dem 2006 gestürzten Premier Thaksin Shinawatra zu nahe zu stehen. Bei Yingluck ist die Verbindung zum ehemaligen Ministerpräsidenten noch offensichtlicher: Der heute im Exil lebende Thaksin ist ihr Bruder.

Die Propagandaschlacht geht weiter

Thailand-Experte Herrmann hält das Urteil im thailändischen Rechtssystem durchaus für "machbar, obwohl es auch im Land selbst bei vielen auf Unverständnis stößt." Es ist unwahrscheinlich, dass die Regierung oder ihre Anhänger das Urteil oder die Autorität des Verfassungsgerichts anfechten werden, so Herrmann: "Frau Yingluck ist relativ müde. Sie wird sich dem Ganzen nicht weiter aussetzen."

Thailands Oppositionsführer Suthep Thaugsuban (Foto:ap)
Oppositionsführer Suthep Thaugsoban verbucht das Urteil als Etappensieg. Aber die Gräben in Thailands Gesellschaft sind eher größer gewordenBild: picture-alliance/AP Photo

Außerdem bleibe ja ein Teil der Übergangsregierung im Amt, so dass der Sieg der Opposition nicht total ist. Was jetzt folge, sei eine Propagandaschlacht, so Herrmann: "Jede Seite wird sagen, das Urteil sei ein Sieg für ihre Sache." Die Opposition kann für sich reklamieren, dass Premierministerin Yingluck schuldig gesprochen wurde, die Regierung, dass sie weiterhin am Ruder bleibt. "Allerdings muss man realistisch sagen, dass das Urteil keine Lösung ist", schließt Herrmann.

Es ist also wahrscheinlich, dass die Krise weiter andauert. Für den 14. Mai kündigte die Opposition eine Großkundgebung an. Beobachter rechnen mit 150.000 Demonstranten. Allerdings könnte es schnell zu einer Abkühlung kommen, denn in Thailand ist Regenzeit. "Es regnet wie aus Eimern und die Proteste können sich auch schnell auf ein paar Tausend reduzieren", sagt Herrmann. Allenfalls die „Hardcore-Demonstranten“, die mit etwa zwanzig US-Dollar täglich bezahlt werden, würden längere Zeit im Regen ausharren.

Der nächste absehbare Entscheidungstermin ist die für den 20. Juli 2014 angesetzte Parlamentswahl. Allerdings bringt sich die Opposition bereits in Stellung, um den Urnengang zu vereiteln.

Monatelanger Machtkampf

Das Urteil markiert den vorerst letzten Höhepunkt in dem seit November 2013 andauernden Machtkampf. Die Proteste waren ausgebrochen, nachdem die Regierung um Premierministerin Yingluck ein umstrittenes Amnestiegesetz verabschiedet hatte, das unter anderen ihrem Bruder, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, die Rückkehr nach Thailand ermöglicht hätte. Er war 2006 durch einen Militärputsch gestürzt worden und wenig später ins Ausland geflohen, um einem Korruptionsverfahren zu entgehen.

Thaksin Shinawatra (Foto:dpa)
Für die Opposition ist er nach wie vor der Strippenzieher im Hintergrund: Thaksin ShinawatraBild: picture-alliance/dpa

Seither gibt es in Thailand einen erbitterten Machtkampf zwischen der Familie Shinawatra und den alten Eliten des Landes. Der oft populistisch auftretende Thaksin hatte während seiner Amtszeit von 2001 bis 2006 mit der Einführung eines bezahlbaren Gesundheitssystems die bevölkerungsreichen Nordprovinzen Thailands für sich gewonnen. Die alten Eliten aus den wohlhabenderen Schichten Bangkoks und den Tourismushochburgen im Süden haben seither keine Wahl mehr für sich entscheiden können. "Thaksin hat das Leben von Millionen Thais spürbar verbessert", so Anja Bodemüller und Gerhard Will in einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik. Zugleich unterwanderte Thaksin "durch breit angelegte Korruption und Vetternwirtschaft" alle Versuche, unabhängige Institutionen aufzubauen.

Als seine Rückkehr im Rahmen des Amnestiegesetzes möglich schien, kam es zu Straßenprotesten. Hunderttausende Anhänger der Opposition besetzten wichtige Verkehrsknotenpunkte und Regierungsgebäude in Bangkok. Sie forderten den Rücktritt der Regierung und insbesondere Yinglucks, die sie als Marionette ihres Bruders bezeichneten. Ende vergangenen Jahres sah die Premierministerin keine andere Möglichkeit, als das Parlament aufzulösen und vorgezogene Neuwahlen anzusetzen. Diese wurden auch im Februar 2014 abgehalten, aber durch massive Proteste der Opposition behindert. Schließlich erklärte das Verfassungsgericht die Wahlen für ungültig. Die thailändische Verfassung legt nämlich fest, dass Wahlen landesweit und an einem einzigen Tag durchgeführt werden müssen, was durch die Proteste unmöglich gemacht worden war. Bei den Unruhen starben bis heute 23 Menschen, fast 800 wurden verletzt.