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Gericht will Kundus-Angriff aufklären

17. April 2013

Dreieinhalb Jahre nach dem von einem Bundeswehr-Offizier veranlassten tödlichen NATO-Luftangriff im afghanischen Kundus wird der Fall erstmals gerichtlich untersucht. Das Landgericht Bonn verlangt von Berlin Unterlagen.

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Sicherheitsbeauftragte inspizieren die nach dem Luftangriff ausgebrannten Tanklastzüge in Kundus (Foto:dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Auf Anforderung des damaligen Kommandanten des Bundeswehrfeldlagers im nordafghanischen Kundus, Oberst Georg Klein, hatten US-Kampfflugzeuge am 3. September 2009 zwei von den radikal-islamischen Taliban entführte Tanklastwagen bombardiert. Klein befürchtete, die Auständischen würden die Tankwagen als rollende Bomben gegen das Bundeswehr-Camp einsetzen. Zum Zeitpunkt des Angriffs hielten sich auch zahlreiche Zivilisten bei den Fahrzeugen auf, offenkundig in der Absicht, Benzin abzuzapfen. Die Bundeswehr geht davon aus, dass bei dem Luftangriff 91 Menschen getötet und elf verletzt worden sind (Das Artikelbild zeigt die augebrannten Tankwagen).

Jetzt will das Landgericht Bonn im Prozess um mögliche Schadenersatzansprüche von Hinterbliebenden der Getöteten das damalige Geschehen umfassend aufklären. Die Richter forderten die Bundesregierung auf, dazu innerhalb eines Monats das von den US-Kampfjets angefertigte Videomaterial sowie Tonaufnahmen der Gespräche zwischen den US-Piloten und dem deutschen Fliegerleitoffizier vozulegen. Im August sollen dann auch Zeugen befragt werden. Ob zu ihnen dann auch der unlängst zum General beförderte Georg Klein gehört, ließ das Gericht noch offen.

Abschlussbericht zur Kundus-Affäre

Das Gericht betonte, nach vorläufiger Einschätzung sei die Klage weder unzulässig noch unbegründet. Ein individueller Anspruch der Kläger gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld sei unter dem Aspekt der Staatshaftung nicht ausgeschlossen. Es könne ein schuldhafter Verstoß von Klein gegen die Verpflichtungen zum Schutz der Zivilbevölkerung gemäß den Genfer Konventionen vorliegen, erklärte das Gericht weiter.

Bei den Klägern handelt es sich um einen Afghanen, dessen zwei Kinder mutmaßlich bei der Bombardierung getötet wurden, sowie eine Mutter von sechs Kindern, die nach eigenen Angaben ihren Mann und damit den Ernährer der Familie verlor. Sie fordern von Deutschland Entschädigungszahlungen in Höhe von 40.000 beziehungsweise 50.000 Euro. Inzwischen haben 79 Familien beim Bonner Landgericht ähnliche Klagen eingereicht. Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums wurden als humanitäre Leistung an afghanische Familien bereits 90 Mal je 5000 US-Dollar (rund 3800 Euro) gezahlt.

Zum Auftakt des Prozesses im März hatten Vertreter des Bundesverteidigungsministeriums gefordert, die Klage der Hinterbliebenen abzulehnen. Sie verwiesen auf ihrer Auffassung nach internationale Befehlsstrukturen in Afghanistan. Der damalige Oberst Klein habe im Auftrag der NATO gehandelt. Die Bundesrepublik sei daher nicht haftbar zu machen. Die Bundesanwaltschaft hatte bei ihren Ermitltungen nach dem Angriff kein Fehlverhalten von Klein festgestellt.

wl/gd (dpa, afp, epd)