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Gericht schränkt Berlusconis Immunität ein

13. Januar 2011

In mehreren Prozessen glänzte Italiens Regierungschef Berlusconi zuletzt durch "gerechtfertigte Abwesenheit". Er berief sich dabei auf ein Gesetz, das das Verfassungsgericht des Landes nun teilweise gekippt hat.

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Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi im Profil (Foto: dapd)
Berlusconis Katz- und Maus-Spiel mit der Justiz geht weiterBild: dapd

Die 15 höchsten italienischen Richter haben den Schutz des Ministerpräsidenten vor mehreren Korruptions- und Steuerverfahren am Donnerstag (13.01.2011) für zum Teil verfassungswidrig erklärt. Dabei einigten sie sich nach Darstellung der Nachrichtenagentur Ansa und lokaler Medien auf einen Kompromiss. Demzufolge müssen die Richter in Zukunft von Fall zu Fall selbst entscheiden, ob Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi vor Gericht erscheinen muss oder nicht.

Gleiches Recht für alle?

Das Verfassungsgericht hatte über ein Gesetz zu befinden, das es dem italienischen Ministerpräsidenten bisher erlaubte, seinen Prozessen fernzubleiben. Dabei mussten sie vor allem darüber entscheiden, ob die Regelung gegen den Grundsatz verstößt, dass alle Bürger von der Justiz gleich zu behandeln sind.

Berlusconi hatte die sogenannte Norm der "gerechtfertigten Abwesenheit" im März 2010 per Vertrauensabstimmung durch das Parlament gebracht. Demnach konnten Verfahren gegen Regierungsmitglieder für 18 Monate ausgesetzt werden, wenn die Betroffenen wegen ihrer Amtspflichten nicht an den Verhandlungen teilnehmen konnten.

Viele Ermittlungen, keine Verurteilung

Berlusconi ist derzeit wegen Korruption und Steuerbetrugs angeklagt. Beide Verfahren liegen auf Eis, können nach dem Urteil aber möglicherweise wieder aufgenommen werden. Auch in der Vergangenheit hatte es immer wieder Ermittlungen gegen Berlusconi gegeben. Mehrfach kam es zu Prozessen - verurteilt wurde er aber nie. Entweder wurde er freigesprochen oder die Vorwürfe waren verjährt.

Bei einem der jüngsten Verfahren ging es darum, dass er den britischen Anwalt David Mills bestochen haben soll, damit dieser in den 1990er Jahren vor Gericht in seinem Sinne eine Falschaussage ablieferte. Mills wurde 2009 verurteilt, weil er 600.000 Dollar Bestechungsgeld angenommen habe. Das Urteil wurde danach aber vom höchsten italienischen Strafgericht aufgehoben, weil die Vorwürfe verjährt waren. In einem anderen Verfahren wird Berlusconi vorgeworfen, sich beim Kauf von TV-Rechten für sein Medienimperium Mediaset der Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben. Der Ministerpräsident streitet jegliches Fehlverhalten stets ab.

"Lächerlich, worum es hier geht"

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi geben sich vor den Flaggen ihrer beiden Länder die Hand (Foto: AP)
Die Kanzlerin mit dem "Enfant terrible" unter den europäischen RegierungschefsBild: dapd

Am Mittwoch hatte Berlusconi - am Rande seines Besuchs in Berlin - erklärt, der bevorstehende Gerichtsentscheid lasse ihn "völlig kalt". Vollmundig gab er vor Journalisten zu verstehen: "Ich finde, es ist einfach lächerlich, worum es hier geht. Und ich habe ja auf den Kopf meiner Kinder und meiner Enkelkinder geschworen, dass ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen. Ich werde den Italienern im Fernsehen, das habe ich versprochen, genau erklären, worum es bei diesen Prozessen geht. Und dann wird man genau verstehen, wie es um die Pathologie Italiens bestellt ist."

Die Justiz sei "ein echtes Machtzentrum Italiens, viel mehr, als es eigentlich von der Verfassung her vorgesehen ist", fügte er hinzu. "Es besteht also keine Gefahr für die Stabilität der Regierung, ganz gleich, wie der Verfassungsgerichtsentscheid ausfallen wird."

Bei einer Anhörung vor dem italienischen Verfassungsgericht in Rom hatten Berlusconis Anwälte am Dienstag erklärt, das Gesetz sei verfassungsgemäß und notwendig, um das Recht auf eine faire Verteidigung sicherzustellen. Anwalt Nicolo Ghedini merkte außerdem an, dass das italienische Recht auch andere Wege zur Aussetzung von Gerichtsverfahren zulasse, wie etwa im Falle einer schweren Krankheit.

Als "Übergangslösung" gedacht

Brennende Autos in einer Straße in Rom (Foto: AP)
Im Dezember kam es zu massiven Protesten in Rom, nachdem Berlusconi ein Misstrauensvotum im Parlament überstanden hatteBild: AP

Das im März verabschiedete Gesetz zur "gerechtfertigten Abwesenheit" sollte eigentlich nur eine Übergangslösung darstellen, während die konservative Parlamentsmehrheit an einer noch weitergehenden Regelung arbeitete. Befürworter sagen, das Gesetz erlaube dem Ministerpräsidenten, sich auf seine Regierungsgeschäfte zu konzentrieren. Es schütze ihn davor, sich von Gerichtsverfahren ablenken zu lassen.

Berlusconi hatte sich in der Vergangenheit wiederholt davon überzeugt gezeigt, dass es den linksgerichteten Staatsanwälten und Richtern in Italien nur darum gehe, ihn aus dem Amt zu jagen.

Autor: Thomas Grimmer (dpa, dapd, afp)

Redaktion: Dirk Eckert