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30 Jahre Anarchie

Oliver Kranz 11. März 2009

In Bayern sind sie eine Institution: der Kabarettist und das schrägste Volksmusik-Trio, das der Freistaat zu bieten hat. Zu ihrem 30-jährigen Jubiläum haben sie eine Art Best-of-Programm herausgebracht.

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Gerhart Polt auf der BühneBild: Dionys

Polt jodelt. Und das will bei einem Mann seines griesgrämigen Formats etwas heißen. Er steht stramm, greift sich ein Notenblatt und produziert mit verbissener Miene die sonderbarsten Töne - sehr zur Freude des Publikums. Tagespolitik spielt im Jubiläumsprogramm mit den Biermösl Blosn kaum eine Rolle. Die Nummern sind grundsätzlicher angelegt. Polt nimmt typisch bayerische Verhaltensweisen aufs Korn, zeigt wie sich Gemütlichkeit oft mit Engstirnigkeit und Profitstreben kreuzt. Zum Beispiel, wenn er als Bürgermeister der fiktiven Kleinstadt Bad Hausen auftritt: der Mann gibt sich modern und empfiehlt den Kurgästen "mushroom searching" und "fresh air snapping" als Freizeitaktivitäten - Anglizismen sind hip, mögen sie auch noch so unsinnig sein.

Volksmusik mit ironisierender Wirkung

Gerhart Polt Biermösl Blosn Foto: Christian Kaufmann
Die Biermösl BlosnBild: Christian Kaufmann

Die Biermösl Blosn liefern dazu die passenden Songs. Die drei Brüder stammen aus der 17-köpfigen Familie eines bayerischen Schulmeisters, in der schon immer Musik gemacht wurde. Zu ihrem ersten Auftritt kamen Hansi, Christoph und Michael 1976, weil sie eine Münchener Kneipe besuchten, in der neue Bands auftraten. "Irgendwann ist ein Musiker ausgefallen und wir haben Instrumente im Auto gehabt", erklärt Hansi. "Da hat es geheißen: ihr seid doch Musiker, ihr seid umsonst rein gekommen, dann spielt einmal." Und sein Bruder Christoph fügt hinzu: "Wir haben ein Volkslied gebracht, wie wir es mit unseren anderen Geschwistern bei Heimatabenden gesungen haben. Und da haben wir gemerkt, dass so etwas in München eine ironisierende Wirkung hat." Und mit dieser ironisierenden Wirkung haben die Brüder fortan gearbeitet - sowohl textlich, als auch musikalisch. Sie verfremden bekannte Melodien und dichten neue Texte.

Die bayerische Hymne wurde bei ihnen zum "Lied der BayWa", der spöttischen Huldigung einer Handelsgesellschaft, die einen Teil der bayerischen Bauern mit Chemikalien versorgt. "Das hat uns berühmt gemacht", erinnert sich Hansi. "Wir haben das Lied in einer Silvestersendung des Bayerischen Fernsehens gesungen, gleich vor der Neujahrsbotschaft des Ministerpräsidenten." Die konservative Presse reagierte derart heftig, dass der Bayerische Rundfunk danach nicht mehr wagte, die Musik der Biermösl Blosn zu spielen - mehrere Jahre lang. Der Popularität der Gruppe hat das nicht geschadet - im Gegenteil. Sie spielen auf Volksfesten, aber auch in seriösen Theatern - seit 1979 gemeinsam mit Gerhart Polt. Dass inzwischen 30 Jahre vergangen sind, finden sie selbst erstaunlich.

Bayerischer Exportschlager

Gerhart Polt Biermösl Blosn Foto: Christian Kaufmann
Volksmusik mal andersBild: Christian Kaufmann

"Also man geht von Tag zu Tag, von Woche zu Woche", meint Polt. "Aber irgendwie war immer eine Problematik da." Und damit auch stets wieder eine neue Aufgabe für Polt und die Biermösl Blosn. Sie engagierten sich gemeinsam gegen den Bau der nuklearen Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf und kosteten die Skandale der bayerischen Regierungspartei CSU aus. Dass ihr Humor frisch geblieben ist, hat auch damit zu tun, dass sie in ihren Programmen oft improvisieren. "Doch am wichtigsten ist, dass man sich selbst auf der Bühne nicht so ernst nimmt", sagt Christoph Well. "Dann kommt es auch zu einem guten Kontakt mit dem Publikum." Und diesen Kontakt kriegen Polt und die Biermösl Blosn mittlerweile auch außerhalb Bayerns zustande. Auf ihrer Jubiläumstour sind die vier auch in Dresden, Wien und Berlin gefeiert worden. Bei all ihrer Unangepasstheit sind sie längst ein gefragter bayerischer Exportartikel.