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Generalstaatsanwalt der Ukraine entlassen

20. Oktober 2005

Mit der Absetzung des Generalstaatsanwalts Swjatoslaw Piskun wurde seit längerem gerechnet - spätestens seit der jüngsten Kritik des Europarats an den Ermittlungen im Mordfall des Journalisten Georgij Gongadse.

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Präsident Juschtschenko: Entlassung ohne Angabe von GründenBild: AP

Am 14. Oktober hat der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko Swjatoslaw Piskun vom Amt des Generalstaatsanwalts der Ukraine entlassen. In seinem entsprechenden Erlass beruft sich das Staatsoberhaupt auf die Verfassung, ohne einen Grund für die Entlassung zu nennen. Beobachter meinen, dass ein Nachfolger Piskuns erst nach den Parlamentswahlen im Frühjahr 2006 ernannt werden könnte.

Reaktionen ukrainischer Politiker

Die meisten ukrainischen Politiker und Juristen bewerten die Absetzung Piskuns als positiv. Der Leiter des Sekretariats des Präsidenten, Oleh Rybatschuk, bestritt nicht, dass die negative Bewertung der Ermittlungen im Fall des ermordeten Journalisten Georgij Gongadse seitens des Europarats Juschtschenkos Entscheidung beeinflusst hat. Wolodymyr Stretowytsch, Vorsitzender des Parlamentsausschusses für Korruptionsbekämpfung, erklärte, Piskun sei wegen seiner Inkompetenz entlassen worden. Der ehemalige Vorsitzende des Sicherheitsdienstes der Ukraine, Oleksandr Turtschynow, meint hingegen, Piskun sei aus politischen Motiven heraus abgesetzt worden. Er sagte: „Als gegen Petro Poroschenko (ehemaliger Vorsitzender des Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrats) offiziell Vorwürfe erhoben wurden, war klar, dass Piskuns Schicksal besiegelt ist.“ Der Vertreter der ehemaligen Staatsmacht, Jewhen Kuschnarjow, vermutet, dass Piskun nun gesammeltes kompromittierendes Material gegen die neue Staatsmacht politisch ausnutzen werde. Allerdings meint der Abgeordnete Hryhorij Omeltschenko, gegen Piskun müsse ein Strafverfahren eingeleitet werden, weil er für sein Vorgehen im Amt des Generalstaatsanwalts zur Verantwortung gezogen werden müsse.

„Politiker spekulieren mit dem Fall Gongadse“

Die Mutter des Journalisten Gongadse teilte mit, die Entlassung Piskuns hänge mit dem Mordfall ihres Sohnes zusammen. Lesja Gongadse sagte der Deutschen Welle, die ukrainischen Politiker würden immer stärker mit dem Fall spekulieren, vor allem im Vorfeld der Wahlen. Sie betonte: „Seit dem Tod meines Sohnes vor fünf Jahren gab es in der Ukraine vier verschiedene Generalstaatsanwälte und keiner von ihnen konnte für Fortschritt bei der Aufklärung des Falls sorgen. Sie alle traten mit der einzigen Aufgabe an, den Fall Gongadse zu ‚begraben‘.“ Auch der nächste Generalstaatsanwalt werde nichts ändern, weil alle Staatsanwälte von der politischen Lage abhängen würden, so Lesja Gongadse. Sie unterstrich: „Ich und der Fall Gongadse werden für politische Ambitionen ausgenutzt. Mir ist klar geworden, dass alle, die mit dem Fall zu tun hatten, später hohe Posten erhielten. Und deswegen konnten sie danach nicht mehr gegen sich selbst arbeiten.“ Die Mutter des ermordeten Journalisten vermutet, dass nun auf diese Weise auch Serhij Holowatyj neutralisiert werden solle. Holowatyj war bis zu seiner Ernennung zum neuen ukrainischen Justizminister Lesja Gongadses Anwalt.

Halyna Stadnyk, Oleksandr Sawyzkyj, Kiew

DW-RADIO/Ukrainisch, 17.10.2005, Fokus Ost-Südost