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General Petraeus' Paukenschlag

16. August 2010

Kaum, dass sich General Petraeus in Afghanistan mit der Lage richtig vertraut gemacht hat, geht er schon auf Kollisionskurs zum Weißen Haus. Daniel Scheschkewitz kommentiert.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Für die USA war es ein Paukenschlag im sonst so nachrichtenarmen Sommerloch. Gleich in seinem ersten Interview mit einem US-Medium erklärte der NATO-Kommandeur in Afghanistan, der von Präsident Obama angekündigte Rückzugsbeginn vom Hindukusch sei nicht unumstößlich und an Bedingungen geknüpft. 2011 hatte der Präsident mutig und im Blick auf das heimische Publikum als den richtigen Zeitpunkt für den Rückzugsbeginn proklamiert.

Unpopulärer Einsatz

Daniel Scheschkewitz (Foto: DW)
Daniel ScheschkewitzBild: DW

In den USA stehen schon im November wichtige Zwischenwahlen an - und der Afghanistaneinsatz mit seinen hohen Verlusten für die US-Amerikaner und den zweifelhaften Erfolgsaussichten ist in Amerika zunehmend unpopulär. Mit 66 Toten war der Juli der bisher verlustreichste Monat für die Amerikaner. Die Führung des US-Militärs vor Ort weiß jedoch: eine Übertragung der Sicherheitsverantwortung im Land an die Afghanen schon zu diesem Zeitpunkt käme viel zu früh. Die Armee ist nach wie vor auf einem verhältnismäßig niedrigen Ausbildungstand und chronisch unterbezahlt. Die Gefahr, dass die Soldaten mit ihren Waffen zur Taliban überlaufen, ist groß.

Gleichzeitig ist dem NATO-Kommandeur Petraeus natürlich bewusst, dass der angekündigte Rückzugsbeginn auch die Planungen der anderen Nationen beeinflusst. Dort verspürt kaum noch ein Land die Neigung, länger als unbedingt notwendig am Hindukusch zu verweilen. Zu gefährlich und zu wenig erfolgversprechend hat sich der Einsatz dort in den letzten Jahren entwickelt. Das Primat der Politik gilt nicht nur für Präsident Obama, auch den anderen Politikern der beteiligten NATO-Verbände ist der Afghanistaneinsatz zunehmend ein Dorn im Auge. Von Den Haag bis Berlin und Warschau ist man sich einig in dem Wunsch, dass Amerika schon möglichst bald die Verbündeten aus ihrer Verantwortung für Afghanistan entlassen möge.

Raues Klima

Obamas Stern in den USA ist darüber hinaus im Sinken begriffen. Die Partei eines Präsidenten, dessen Zustimmungsrate deutlich unter 50 Prozent gesunken ist, hat selten eine Zwischenwahl gewonnen. Ohne eine demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus wäre jedoch Präsident Obama seiner politischen Gestaltungsmacht beraubt.

Der Relativierungsversuch General Petraeus' ist ein weiteres Indiz für das raue Klima, das zwischen der US-Militärführung und dem Amtsinhaber im Weißen Haus immer noch herrscht. Generäle wünschen sich neben einem langen Atem der Politik auch die optimale finanzielle Ausstattung, um ihren - gerade in Afghanistan - äußerst schwierigen Auftrag zu erledigen. Beides ist in Washington nicht mehr im Überfluss vorhanden. Der Afghanistaneinsatz - auch das zeigen die Äußerungen des Oberkommandierenden - ist in den USA längst vor allem ein Politikum.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Christian Walz