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Gemischte Gefühle bei IAEO-Konferenz

10. März 2004

Libyen gilt als "Musterschüler" internationaler Abrüstungsbemühungen - und der Iran fühlt sich in die Rolle des "Schurken" abgedrängt: Das zeigt die derzeitige Tagung der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien.

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Der Chef der Atombehörde: <br>Mohamed el BaradeiBild: AP

Wut und Freude lagen am Mittwoch (10.3.2004) bei der Tagung des Kontrollrats der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien nah beieinander. Freudige Mienen gab es bei den Vertretern Libyens. Wie angekündigt, unterzeichnete das Land das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag. Dafür gab es Lob vom Leiter der IAEO, Mohamed el Baradei. "Libyens Entscheidung könnte und sollte ein erster Schritt für ein atomwaffenfreies Afrika und einen atomwaffenfreien Nahen Osten sein", sagte er. Das Zusatzprotokoll ermöglicht den Inspektoren der IAEO unangekündigte Inspektionen aller libyschen Atomanlagen.

Libyen hatte nach monatelangen Geheimverhandlungen mit Washington und London Mitte Dezember 2003 seinen Verzicht auf Massenvernichtungswaffen bekannt gegeben und kurz darauf auch die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls angekündigt. Tripolis will sein Arsenal an Massenvernichtungswaffen bis Juni auflösen. Unmittelbar vor der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls verabschiedete der Gouverneursrat der IAEO einstimmig eine Entschließung zum libyschen Atomprogramm. Darin hätten die 35 Mitglieder des höchsten Kontrollgremiums der Atombehörde zwar Libyens Verstöße in der Vergangenheit gerügt, zugleich jedoch das Land für seine derzeitige "aktive Zusammenarbeit" gelobt, sagte ein Sprecher der IAEO in Wien.

Drohungen trotz abgeschwächtem Entwurf

Zorn machte sich dagegen auf der Seite der iranischen Diplomaten breit. Sie fühlten sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Am Dienstagabend hatten sich die Vertreter der USA, Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens nach schwierigen Verhandlungen auf einen stark abgeschwächten Text einer Iran-kritischen Resolution geeinigt. In dem Kompromisspapier wird zwar die Öffnung der iranischen Nuklearanlagen für ausländische Kontrolleure gelobt, gleichzeitig aber gerügt, dass Teheran nach wie vor Teile seines Atomprogramms geheim halte. Die USA hatten ursprünglich eine klare Verurteilung Irans wegen mangelnder Zusammenarbeit gewünscht.

Obwohl der Entwurf von den Europäern entschärft wurde, reagierten die iranischen Stellen am Mittwoch mit Entrüstung auf die geplante Resolution. Außenminister Kamal Charassi drohte, Teheran könnte die im vergangenen Herbst vereinbarte Zusammenarbeit mit der IAEO beenden. Der Chefdelegierte Irans in Wien, Pirus Hosseini, nannte die Erklärung "unausgewogen" und bezichtigte die USA, die Wiener Atombehörde zerstören zu wollen.

Anlagen nur für friedliche Zwecke

Der iranische Verteidigungsminister Ali Schamchani bestätigte unterdessen, dass Teile der zur Urananreicherung Zentrifugen von der iranischen Rüstungsindustrie hergestellt wurden. Dies bedeute jedoch nicht, dass das Atomprogramm militärischen Zwecken diene. Schließlich würden auch Satellitenschüsseln von Rüstungsbetrieben produziert. Schamchani wies erneut den Verdacht zurück, dass der Iran auch Zentrifugen zur Herstellung waffenfähigen Urans besitze oder entwickle.

Kontrolleure der IAEO hatten in einem kritischen Bericht im Februar bemängelt, dass Teheran gegenüber den IAEO-Inspekteuren offenbar nicht alle geheimen atomaren Forschungs- und Produktionsstätten deklariert habe. Sie entdeckten unter anderem Teile und Baupläne für moderne Zentrifugen zur Urananreicherung sowie Spuren von Polonium, das zur Auslösung einer Atomexplosion benutzt werden kann.

Lange Diskussionen

Dass der Iran die Existenz dieser Entwürfe verschwiegen habe, gebe Anlass zu "großer Sorge", schrieben die Experten in einem Bericht. Die IAEA will im Iran so lange Kontrollen durchführen, bis alle noch offenen Fragen über das Atomprogramm des Landes geklärt sind. Wie lange dies dauern wird, hängt nach den Worten von IAEO-Direktor Mohamed El Baradei in erster Linie von der Kooperationsbereitschaft Teherans ab. Am Mittwoch gab er sich zweckoptimistisch. Er sei zuversichtlich, dass die "gute Zusammenarbeit" mit Teheran fortgesetzt werde. Die Delegationen diskutierten am Rande der Konferenz des IAEO-Gouverneursrats intensiv über den endgültigen Text der Resolution. Wegen der Diskussionen im Plenum des Gouverneursrats rechnen Beobachter mit einem Abschluss der Konferenz nicht vor Donnerstagabend. (stl)