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Gemeinsamkeit schadet nicht

20. August 2003

Aus Rumänien und Bulgarien könnte ein erfolgreiches Paar werden, wie es sie in Europa schon öfter gab

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Bonn, 19.8.2003, DW-radio / Rumänisch und Bulgarisch, Andrej Smodis

Vor 40 Jahren begann die Deutsche Welle am selben Tag mit der Ausstrahlung ihrer Programme auf Rumänisch und auf Bulgarisch. Damals war die Deutsche Welle eine Stimme gegen den Kommunismus, heute ist sie Begleiter auf dem Weg nach Europa. In nicht mehr allzu ferner Zukunft werden Rumänien und Bulgarien vielleicht am selben Tag in die EU eintreten. Manche fragen sich da: muss das eigentlich immer so sein: "Rumänien und Bulgarien"? Ein Kommentar von Andrej Smodis.

Sie alle kennen den Vergleich, viele können und wollen ihn nicht mehr hören: Rumänien und Bulgarien, unzertrennlich, wie eineiige Zwillinge. In allen Medien, bei Politikern, auf der Straße: immer heißt es unisono "Rumänien und Bulgarien". Beide mit türkischer Vergangenheit. Beide lange Zeit kommunistisch regiert. Beide tiefer Balkan.

Und dann noch der Tourismus mit der gleichen Geographie. "Wir fliegen dieses Jahr ans Schwarze Meer", heißt es in Deutschland, "nach Varna." - "Ah ja", kommt die Antwort, "nach Rumänien!" Oder fahren die Nachbarn nach Constanţa in Bulgarien? Ärgerlich? Na klar, aber es werfe derjenige den ersten Stein, der auf Anhieb Litauen und Lettland auseinanderhalten kann.

Gut, es gibt auch ernsthaftere Bedenken. Bulgarien hat inzwischen einen großen Teil seiner Hausaufgaben für den EU-Beitritt erledigt. Die Rumänen hingegen stehen noch ziemlich am Anfang. Viele Bulgaren sehen in ihren Nachbarn bequeme Trittbrettfahrer; womöglich kommt Bulgarien erst viel später zur EU, weil es auf das langsame Rumänien warten muss.

Aber Vorsicht: der Teufel steckt im Detail. Manche Beitrittskandidaten hatten an einem EU-Verhandlungskapitel länger zu knabbern, als andere Kandidaten an zehn.

Und bei den Rumänen herrscht auch nicht unbedingt nur Begeisterung. Das Land hat mehr als doppelt so viele Einwohner wie der kleine Nachbar, man hat das größere Wirtschaftspotential. Und die Ungarn werden sich als wichtige Fürsprecher zeigen, wegen ihrer großen Minderheit in Rumänien. Warum sollte das Karpatenland seine EU-Chancen untrennbar mit denen der Balkanesen von südlich der Grenze verbinden?

Aber diese und andere Bedenken sind nichts anderes als kleinliches und oft auch nationalistisches Gejammer. Gemeinsam ist man immer stärker als allein. Und Hand aufs Herz: natürlich gibt es einen Haufen Gemeinsamkeiten, ob man das wahrhaben will oder nicht. Die USA wollen Unterstützung in ihrer neuen Außenpolitik von beiden, die EU sieht in der wirtschaftlichen Entwicklung die Parallelen, die sich aus der Überwindung des Kommunismus ergeben haben, und für die Menschen auf der Straße, z. B. in Deutschland, sind das eben zwei Länder, die nebeneinander im östlichen Balkan liegen. Und es ist ja auch nicht der einzige bekannte Fall von Doppel- oder Mehrfachpersönlichkeit von Staaten.

Früher war es Österreich-Ungarn, heute sind es Tschechen und Slowaken, Benelux oder die drei baltischen Staaten. Wer an Schweden denkt, denkt auch an Dänemark und Norwegen, vielleicht sogar an Finnland oder Island. Die Skandinavier unterstreichen selbst diese Nähe zueinander. Man denke an die "Scandinavian Airlines" oder an die seit Jahrzehnten bestehende Einreisefreiheit quer durch die Länder der nordeuropäischen Halbinsel. Dabei hat man dort blutige Kriege gegeneinander geführt. Norwegen war erst Jahrhunderte lang dänisch, dann schwedisch, und die Unabhängigkeit kam für Norwegen wesentlich später als für Rumänien und Bulgarien.

Und denken wir doch an die iberische Halbinsel: Spanien und Portugal werden fast immer in einem Atemzug genannt - und beide Staaten wurden gleichzeitig in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen. Aus Bulgarien und Rumänien kann auch ein solches erfolgreiches Paar werden. Nachbarländer mit einer vergleichbaren sozialen Struktur und Vergangenheit, die gemeinsam in die Europäische Union eintreten. Keine Angst, die Unterschiede bleiben da: der Portugiese braucht keinen Pass, wenn er die Grenze nach Spanien überquert - und weiß doch sofort, dass er in einem anderen Land ist. Und die Tsuika wird nie zu Rosenöl oder umgekehrt, selbst wenn nach dem gemeinsamen EU-Beitritt womöglich noch immer die Deutschen nach Varna in Rumänien in den Schwarzmeerurlaub fahren. (me)