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Gemeinsam für das Recht auf Beschneidung

Nina Werkhäuser9. September 2012

Juden und Muslime haben in Berlin gemeinsam gegen das Kölner Beschneidungsurteil demonstriert. Sie fordern Rechtssicherheit, um ihre seit Jahrtausenden ausgeübte religiöse Praxis fortführen zu können.

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Der vorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat (r), spricht am Sonntag (09.09.2012) auf dem Bebelplatz in Berlin. (Foto: dpa)
Demonstration gegen BeschneidungsurteilBild: picture-alliance/dpa

Die religiöse Beschneidung von Jungen muss in Deutschland straffrei bleiben - darin waren sich die jüdischen und muslimischen Demonstranten einig. "Das Ja zur Beschneidung muss in ein Gesetz gegossen werden", forderte Lala Süsskind, die Vorsitzende des Berliner "Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus". Bundesregierung und Bundestag sollten möglichst schnell ein entsprechendes Gesetz verabschieden, so der Appell der etwa 300 Demonstranten auf dem Berliner Bebelplatz.

Auslöser der Proteste war ein Urteil des Kölner Landgerichts, das im Juni die rituelle Beschneidung eines vierjährigen muslimischen Jungen als strafbare Körperverletzung gewertet hatte. "Dieses Urteil hat uns fassungslos gemacht", sagte die Berliner Rabbinerin Gesa Ederberg der Deutschen Welle. Aber nicht nur das Urteil selbst, sondern auch die darauf folgende öffentliche Debatte. Da werde Juden und Muslimen unterstellt, dass sie gegen das Kindeswohl verstießen und böse Eltern seien. "Das finde ich schon makaber", empörte sich die Rabbinerin. Die Beschneidung der Jungen am achten Tag nach der Geburt sei im jüdischen Leben unverzichtbar, sie bedeute den Bund mit Gott.

Der orthodoxe Rabbiner Yitzhak Ehrenberg spricht am Sonntag (09.09.2012) auf dem Bebelplatz in Berlin. (Foto: dpa)
Post von der Staatsanwaltschaft: Rabbiner Yitzhak EhrenbergBild: picture-alliance/dpa

Verunsicherung bei Juden und Muslimen

Selbstverständlich gingen die Beschneidungen in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin weiter, berichtete Ederberg, aber für die Eltern bedeute das mehr Stress. Für die Gemeinde selbst auch: Rabbiner Yitzhak Ehrenberg zeigte den Demonstranten einen Brief von der Staatsanwaltschaft - eine Strafanzeige, weil er seine Gemeinde ermutigt hatte, an der Jahrtausende alten Tradition der Beschneidung festzuhalten. "Ich sage es noch einmal: Wir machen weiter!", rief der Rabbiner unter dem Beifall der Demonstranten.

Auch Kenan Kolat war auf den Bebelplatz gekommen, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Während seiner Rede trug der Muslim eine Kippa, die traditionelle Kopfbedeckung der Juden. Muslime und Juden müssten gemeinsam dafür eintreten, dass die Beschneidung straffrei bleibe. Kolat berichtete vom "Beschneidungstourismus in die Türkei", der nach dem Kölner Urteil eingesetzt habe. Verunsicherte Eltern hätten es vorgezogen, ihre Söhne nicht in Deutschland beschneiden zu lassen. "Wir lassen uns hier beschneiden und machen Urlaub, wo wir wollen", rief Kolat.

Protest in Berlin gegen Kölner Urteil

Rechtssicherheit - möglichst schnell

Mit Nachdruck forderten Juden und Muslime ein Gesetz, das die Straffreiheit der Beschneidung garantiert. Und zwar ohne dass Eltern ihre religiöse Motivation nachweisen müssen. Das sieht die Übergangslösung des Berliner Justizsenators vor, der von einer strafrechtlichen Verfolgung der Beschneidung unter bestimmten Bedingungen absieht.

Vor allem jüdische Demonstranten betonten, sie könnten nach einem möglichen Verbot der Beschneidung nicht mehr in Deutschland leben - "und wir leben gerne hier." Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach dem Kölner Urteil gewarnt, mit einem Verbot der religiösen Beschneidung mache Deutschland sich international zur "Komikernation".