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"Bethlehem"

Annabelle Steffes9. Januar 2014

Eine Freundschaft zwischen einem israelischen Geheimdienstoffizier und seinem palästinensischen Informanten - ein brisantes Thema, das der Regisseur Yuval Adler mit seinem packenden Thriller "Bethlehem" ins Kino bringt.

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Filmszene aus "Bethlehem" (Foto: real fiction Filmverleih)
Bild: real fiction Filmverleih

Der junge Palästinenser Sanfur ist gerade mal 15 Jahre alt, als er vom viel älteren israelischen Geheimdienstoffizier Razi als Informant rekrutiert wird. Nicht zufällig, den Sanfurs Bruder ist ein gesuchter palästinensischer Untergrundkämpfer, den Razi aufspüren und töten soll. Über zwei Jahre hinweg entsteht zwischen Sanfur und Razi eine enge Freundschaft.


Riskantes Doppelleben

Sanfur, der zeitlebens im Schatten seines älteren Bruders stand, hat in Razi eine Vaterfigur gefunden. Razi wiederum erwidert die Zuneigung, nutzt den Jungen aber auch für seine Zwecke aus. Sanfur versucht verzweifelt die Forderungen des Agenten zu erfüllen und gleichzeitig seinem Bruder gegenüber loyal zu bleiben. Auch für Razi verwischen die Grenzen zunehmend. Am Ende müssen beide eine Wahl treffen, die ihr Leben für immer verändert.


Beide Seiten sollten gezeigt werden

"Bethlehem" springt zwischen den verschiedenen Perspektiven hin und her. Es gilt stets die Sichtweise der Figur, die gerade von der Kamera begleitet wird, und genau das macht den Film so authentisch.

Für den israelischen Regisseur Yuval Adler war von Anfang an klar, dass er das Drehbuch zu einem solchen Film nur mit einem Palästinenser zusammen schreiben könnte: "Ich wollte zeigen, dass eine solche Zusammenarbeit möglich ist." Und so hat er den arabischen Journalisten Ali Waked mit an Bord geholt.

Der Regisseur Yuval Adler (Foto: real fiction Filmverleih)
Regisseur Yuval AdlerBild: Verleih REAL FICTION


Zwei Welten – ein Film

Adler und Waked kommen aus sehr unterschiedlichen Verhältnissen. Adler ist israelischer Jude und war beim militärischen Nachrichtendienst. Waked ist Moslem und hat viele Jahre als Journalist und Aktivist in Ramallah und Gaza gearbeitet.

Für die Recherchen zum Film haben Adler und Waked unter anderem die Mitglieder der al-Aqsa-Brigaden und der Hamas befragt. "Das war heikel, aber nicht gefährlich, sie dazu zu bringen, etwas von sich preiszugeben", betonen beide im DW-Interview. Schwieriger aber sei es gewesen, an Informationen über die Methoden des israelischen Geheimdienstes Shin Beth heranzukommen.

"Wir haben vor allem Informationen von ehemaligen Agenten erhalten", erklärt Waked. "Die, die aktuell beim Geheimdienst sind, trauen sich oft nicht zu reden". Allein deshalb haben die Recherchen für "Bethlehem" über vier Jahre gedauert. Herausgekommen ist ein schonungsloser Film von fast dokumentarischer Schärfe. Adler und Waked zeigen, wie der Geheimdienst seine Informanten rekrutiert und über Jahre hinweg bei der Stange hält. Man arbeitet nicht etwa mit Gewalt oder Erpressung. Der Trick besteht darin, eine enge, eine echte Beziehung aufzubauen. Dabei erleben auch die Agenten, vor allem die "Guten", dass die Grenzen verwischen.

Filmszene aus "Bethlehem" (Foto: real fiction Filmverleih)
Mitglieder der al-Aqsa-Brigaden rüsten auf (Filmszene)Bild: Verleih REAL FICTION


Weder richtig noch falsch

"Bethlehem" erzählt von gegenseitiger Verführung und Abhängigkeit, von Hass, Liebe, und Enttäuschung. Es gelingt dem Zuschauer nicht, die charismatischen und zerrissenen Charaktere zu mögen. Gleichzeitig kann man sie auch nicht hassen. Es ist diese Dualität der Gefühle, das Unvermögen, Gut von Böse zu unterscheiden, die Waked und Adler durch die Figuren Sanfur und Razi darstellen wollten.

"Wir wollten keine Symbolik in den Film hinein pressen. Es gibt kein Richtig oder Falsch, nur überhitzte, echte Gefühle", unterstreicht Yuval Adler. Am Ende steht der Zuschauer ratlos und sich selbst überlassen da. Genau das wollte das Autorenduo erreichen. Es gäbe keine vorgefertigte Lösung, dies sei nicht die Aufgabe des Regisseurs, erklärt Adler.

Filmszene aus "Bethlehem" (Foto: real fiction Filmverleih)
Gefährliche Freundschaft: Agent Razi (Tsahi Halevy) und Sanfur (Shadi Mar‘i)Bild: Verleih REAL FICTION


Ein Blick in die Zukunft

Dennoch betonen beide Filmemacher, dass sie hoffnungsvoll in die Zukunft blicken und an ein Ende des Nahostkonflikts glauben. "Gerade unser Film zeigt, dass wir diese gespannte Situation beenden müssen", meint Yuval Adler. "Bethlehem" war in Israel der meist gesehene israelische Film des Jahres 2013. Yuvals und Wakeds Werk hat etliche Preise gewonnen, darunter den Goldenen Löwen beim Film Festival in Venedig 2013.

In den palästinensischen Gebieten durfte "Bethlehem" bisher allerdings noch nicht gezeigt werden. Zwar sind viele der Schauspieler Palästinenser. Doch offizielle Vorführungen israelischer Filme seien unglaublich schwer zu organisieren, erzählt Waked. Insbesondere wenn israelisches Geld in den Filmen steckt. Dabei ist die Geschichte von "Bethlehem" sowohl in der palästinensischen als auch in der israelischen Gesellschaft angesiedelt. Das alles verbindende visuelle Element ist die Landschaft. Obwohl sie in völlig unterschiedlichen Realitäten leben, sind sämtliche Charaktere Nachbarn in diesem bitter umkämpften biblischen Land.