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Geld verdienen - die Welt retten

17. Mai 2017

Deutschland gilt als gutes Pflaster für Startups mit umweltverträglichen Produkten und Technologien. Wenn es nach den Experten des Borderstep Impact Forums in Berlin geht, könnte es in Zukunft noch mehr Gründer geben.

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Das Gründerteam von Coolar bei der Preisverleihung von StartGreen
Bild: Borderstep Institut

Aus Wärme mach Kälte: Julia Römers Kühlschrank braucht warmes Wasser und Kieselgel-Kügelchen. Strom braucht er dagegen keinen. Die Wirtschaftsingenieurin aus Berlin hat auf Basis von Verdunstung und Adsorption ein robustes Gerät für die Weltgegenden geschaffen, wo es keinen Stromanschluss gibt, aber Wasser leicht durch Sonnenenergie erhitzt werden kann. In Entwicklungsländern kann man so z.B. Impfstoffe aufbewahren. "Bis zu 75 Prozent verderben heutzutage", sagt die Gründerin auf dem diesjährigen Borderstep Impact Forum. Römers Startup Coolar (Artikelbild) arbeitet mit Hilfsorganisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" zusammen.

Coolar gehört zu den rund 21.000 Unternehmensgründungen jährlich, die als "grün" bezeichnet werden. Sie bieten Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Erneuerbaren Energien, der Ressourceneffizienz, E-Mobilität oder Kreislaufwirtschaft an. Während die Gesamtzahl der Gründungen in Deutschland sinkt, haben grüne Startups um 29 Prozent zugelegt, so der Green Economy Gründungsmonitor des unabhängigen Borderstep Instituts für Innovation und Nachhaltigkeit.

Geduldige Geldgeber

Alles gut? Aus Sicht der Borderstep-Forscher wäre noch mehr drin: mit mehr und gezielterer Unterstützung. Komplexe und oft grundlegend neue Technologie, lange Entwicklungszeiten, strenge gesetzliche Auflagen, ein hoher Kapitalbedarf für Maschinen, Labore und Pilotanlagen: Das macht die grünen Startups nicht gerade zum Investoren-Liebling. Heliathek, ein Produzent organischer Solarfolien, benötigte beispielsweise rund 46 Millionen Euro und zehn Jahre, um sein Herstellungsverfahren zu perfektionieren. Wagniskapitalgeber mit soviel Geduld sind jedoch rar. Lieber investiert die Szene in digitale Startups, die nur ein paar Server zum Start benötigen und schnell wachsen.

Borderstep Impact Forum
Podiumsdiskussion mit Ernst Ulrich von Weizsäcker (Club of Rome),links, Rita Schwarzelühr-Sutter (BMUB), Klaus Fichter (Borderstep Institut), Julia Römer (Coolar-Gründerin) und Dirk Wiese (BMWi), Bild: Borderstep Institut

"Grüne" Gründer wollten oft gesellschaftliche Probleme lösen, hätten Kontakt zu NGOs, aber relativ wenig Ahnung von Betriebswirtschaft, weiß Borderstep-Forscherin Linda Bergset: "Das erschwert den Zugang zu und den Umgang mit Investoren". Andererseits wächst das Interesse an nachhaltigen Geldanlagen. Nur ein Zehntel dieser Mittel fließt bisher jedoch in Beteiligungen an jungen Unternehmen. Bergset regt ein besseres "Matching" an, das Gründer und Geldgeber, die die gleichen Werte teilen, zusammenbringt. Das wäre auch durch Online-Plattformen möglich. Allerdings sieht die Wissenschaftlerin Weiterbildungsbedarf auf beiden Seiten: Die Finanzierer sollten sich mit den Besonderheiten grüner Startups vertraut machen, während sich die Startups stärker mit Finanzplanung und Kennzahlen auseinandersetzen müssten.

Nachhaltigkeitskriterien für die öffentliche Förderung

Eine weitere Idee ist, etablierte grüne Unternehmer als Business Angels zu gewinnen, die mit Geld, Wissen und Kontakten helfen. Auch das Crowdinvesting spielt eine immer größere Rolle: Auf diese Weise sind schon siebenstellige Beträge für Firmen zusammengekommen, die die Energiewende vorantreiben. Einige Kleinstanleger-Plattformen wie Econeers und bettervest spezialisieren sich auf ökologische Vorhaben.

Einige grüne Startups wollen bewußt langsam wachsen und dafür auch niedrigere Renditen in Kauf nehmen. Ein zu starkes Wachstum könnte eben zu Kompromissen beim Einkauf von Rohstoffen, der Auslagerung von Arbeitsprozessen oder der Erschließung neuer Märkte führen. "Grüne Gründer wollen in der Regel nicht nur Geld verdienen, sondern umwelt- und sozialverträglich wirtschaften. Auch dafür braucht es Investoren mit langem Atem", sagt Bergset. Zusätzliche Investitionen der öffentlichen Hand könnten dabei helfen.

Coolar Solar Refrigerator
Ein Solar-Kühlschrank in AktionBild: Eco@Africa

Denn die öffentliche Förderlandschaft ist in Deutschland gut entwickelt: Von der Kommune bis zu EU gebe es diverse Programme, so Institutsleiter Klaus Fichter. Nur sei der Fokus der Förderung ein rein ökonomischer. Die Jungunternehmer sollen Arbeitsplätze schaffen und wettbewerbsfähig sein. "Das ist weiterhin richtig. Aber man muss an jede Gründung den Maßstab anlegen, dass sie auch nachhaltig ist", sagt Fichter. Anders seien die Klimaziele nicht zu erreichen. Kriterien wie CO2-Reduktion und ein Beitrag zur Netzstabilität sollen demnach nicht nur in Sonderprogrammen, wie etwa InnoEnergy, einfließen, sondern auch beim EXIST-Transfer, dem Hightech-Gründerfonds und anderen nationalen Förderern berücksichtigt werden. "Ökologisches und Soziales wird bisher beim Antrag nicht abgefragt", kritisiert auch Römer. "Das würde jeden zum Nachdenken bewegen: Was will ich in der Welt verändern?"

Jeder soll die Welt retten

Der Hightech-Gründerfonds weist darauf hin, dass er auch so schon zahlreiche Startups aus der Cleantec-Branche finanziert. "Wir hatten in den letzten zwei Jahren keinen Gründer, der nicht auf Energieeffizienz, Materialeinsatz und Ähnliches achtet", betont auch Bertram Dressel, Präsident des Verbands Deutscher Innovations-, Technologie- und Gründerzentren.

"Warum nicht auch die Welt retten, wenn man Chemieriese oder Kioskbesitzer ist?", sagt Dirk Maas vom Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg. Im Handbuch des regionalen Gründerwettbewerbs sind nun auch Nachhaltigkeitskriterien enthalten und die Businesspläne werden entsprechend bewertet. Das gilt für alle Branchen, querbeet: Es gab Gewinner, die sich mit der Optimierung chemischer Prozesse beschäftigen, einen Supermarkt mit unverpackter Ware, Anbieter von Mode aus veganen Stoffen - und eben auch Coolar.