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Geld für die Ukraine und ein Appell an die Euro-Länder

Sabine Kinkartz, Berlin11. März 2015

Geballte Kompetenz, so könnte man es nennen, wenn die Chefs der fünf führenden internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen an einem Tisch sitzen. In Berlin trafen sie Bundeskanzlerin Angela Merkel.

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Berlin - Christine Lagarde trifft Angela Merkel
Bild: picture-alliance/dpa/S. Loos

Die Kanzlerin kann zufrieden sein. Von Christine Lagarde, der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Angel Gurria, dem Generalsekretär der Industrieländer-Organisation OECD, gab es Lob für die deutsche Wirtschaft. Sie funktioniere gut, sagte Lagarde, die explizit auch die geplanten zusätzlichen Investitionen der Bundesregierung in die Infrastruktur hervorhob. Gurria bescheinigte Deutschland eine besonders hohe Wettbewerbsfähigkeit. Die Bundesrepublik habe glücklicherweise einen anderen Weg eingeschlagen als viele andere Länder, in denen die Produktivität in den vergangenen Jahren weitaus langsamer angestiegen sei als die Löhne.

Zwei Stunden dauerte die Diskussion im Kanzleramt, an der auch Weltbank-Präsident Jim Yong Kim, der Chef der Welthandelsorganisation WTO, Roberto Azevedo, sowie der Generaldirektor der Arbeitsorganisation ILO, Guy Ryder teilnahmen. Im Anschluss wurde eine gemeinsame Erklärung mit einem Appell für mehr Reformen und Wachstum veröffentlicht. "Die geopolitischen Risiken haben in verschiedenen Regionen der Welt zugenommen und stellen eine erhebliche Belastung für weltweite Wirtschaftsentwicklung dar", heißt es in der Erklärung.

Berlin - Christine Lagarde trifft Angela Merkel
IWF-Chefin Christine Lagarde und OECD-Generalsekretär Angel GurriaBild: Getty Images/A. Berry

In einer Zeit unsicherer Wachstumsaussichten müssten die Anstrengungen für ambitionierte Reformen verstärkt werden. Die Bemühungen vieler Euro-Länder, Produktivität und Beschäftigung zu erhöhen und die Haushaltslage zu verbessern, seien lobenswert. In der Erklärung werden trotzdem "weitere Anstrengungen" gefordert, vor allem im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit, für Strukturreformen sowie zur "wachstumsfreundlichen Konsolidierung".

Risikoreiche Geldpolitik

Laut dem aktualisierten IWF-Bericht zu den globalen Konjunkturaussichten vom Januar wird ein Wachstum der Weltwirtschaft um 3,5 Prozent in diesem Jahr und um 3,7 Prozent im Jahr 2016 erwartet. Die IAO geht davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen weltweit um drei Millionen steigt. Christine Lagarde äußerte sich verhalten optimistisch über die weltweite Wirtschaftsentwicklung. "Zum ersten Mal seit langer Zeit sehen wir positive Nachrichten." Für die IWF-Chefin zählen dabei vor allem das Wiedererstarken der US-Wirtschaft und eine gute Entwicklung in Großbritannien.

In Europa werde sich die Wirtschaft vermutlich besser entwickeln als erwartet. In den Schwellenländern hingegen wachse die Wirtschaft langsamer und "leider bescheiden", in den ärmeren Ländern nur gering. Vom Ölpreisverfall, dem aufgewerteten US-Dollar sowie der Abwertung von Yen und Euro profitierten vor allem die Industrieländer. Hinzu kämen die niedrigen Zinsen für Darlehen.

Abgesehen von den geopolitischen Krisen sieht Lagarde in der derzeitigen Geldpolitik die größten Risiken für einen weiteren Aufschwung. Problematisch sei insbesondere das Auseinanderdriften zwischen den USA, Europa und Japan. Während die US-Notenbank wieder Kurs auf "eine traditionellere Geldpolitik" nehme, verfolgten die EZB und die japanische Notenbank eher einen Kurs des billigen Geldes. "Dies bedeutet eindeutig eine höhere Volatilität", warnte die IWF-Chefin.

Kredite für die Ukraine

Lagarde äußerte sich auch zur Kreditzusage des IWF an die Ukraine. Das Land soll 17,5 Milliarden US-Dollar (15,5 Milliarden Euro) erhalten. Das Hilfsprogramm ist auf vier Jahre ausgelegt, der größte Teil des Kredits, nämlich zehn Milliarden Dollar, soll aber schon im ersten Jahr ausgezahlt werden. Die Ukraine habe "alle Maßnahmen ergriffen, die wir erwartet und verlangt haben", sagte Christine Lagarde in Berlin. Das Geld werde "dem Land hoffentlich helfen, seine Situation zu verbessern, vorausgesetzt natürlich, dass die Stabilität auch vor dem Hintergrund der Minsker Vereinbarungen zum Waffenstillstand eingehalten werden und sich die Lage stabilisiert".

Das neue Hilfspaket ersetzt ein Programm aus dem vergangenen Jahr. Um einen Bankrott zu verhindern, hatten die internationalen Geber der Ukraine im Frühjahr 2014 zunächst Hilfskredite von insgesamt 27 Milliarden Dollar zugesagt. Nach dem Ausbruch des Krieges im Osten des Landes reichte das aber nicht aus. Zusätzlich zu den IWF-Krediten wird die Ukraine auch von der EU, der Weltbank und anderen Geldgebern unterstützt, sodass insgesamt 40 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt werden. Im Gegenzug werden umfassende Reformen verlangt.

Vorbereitung für G7-Gipfel

Bundeskanzlerin Merkel sagte nach dem Gespräch mit den Chefs der internationalen Organisationen, das Treffen sei in diesem Jahr besonders wichtig gewesen, weil Deutschland derzeit die Präsidentschaft der G7 innehabe, der sieben weltweit führenden Wirtschaftsnationen. Diese hätten weltweit Vorbildfunktion und die Bundesregierung sei entschlossen, Kernfragen der Außen-, Sicherheits-, Klima-, Handels- und Entwicklungspolitik in der G7-Runde zu beraten.

Außerdem sollten neue Initiativen in den Bereichen Umwelt-, Energie- und Gesundheitspolitik sowie die Teilhabe von Frauen vorangebracht werden. Darüber habe sie sich in der Runde abgestimmt, so Merkel. ILO-Chef Ryder lobte, dass Deutschland beim G7-Gipfel im Juni eine Initiative gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen bei den Lieferanten internationaler Konzerne plane.

In ihrer gemeinsamen Erklärung äußerten sich die Bundeskanzlerin und die Chefs der internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen auch zum Thema Ebola. Der Ausbruch der Epidemie habe deutlich gezeigt, dass die Weltgemeinschaft nicht über ein angemessenes internationales Krisenmanagement verfüge. Weltbank-Präsident Kim betonte, eine Pandemie sei auch in Europa irgendwann wahrscheinlich: "Wir müssen und wir können etwas tun."