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Gelassenheit nach Aus für Mega-Börse

1. Februar 2012

Nur die Ruhe bewahren - getreu dieser Devise scheinen die Chefs der Börsen in Frankfurt und New York das Nein der EU zur erhofften Fusion wegstecken zu wollen. Dagegen atmen ihre Angestellten hörbar auf.

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Die Fassade des New Yorker Börsengebäudes (Foto: dapd)
Bleibt aus deutscher Sicht unerreichbar: die Börse in New YorkBild: AP

Für die Deutsche Börse ist die Rote Karte aus Brüssel eine herbe Schlappe auf ihrem Expansionskurs. Über einen "schwarzen Tag für Europa" klagte ihr Vorstand. Allerdings fügte Deutsche-Börse-Aufsichtsratschef Manfred Gentz gleich hinzu: "Es besteht zu grundlegenden Änderungen von Strategie, Struktur und Führung kein Anlass, vielmehr sind jetzt Ruhe und Kontinuität geboten." Auch Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni sagte in Frankfurt: "Wir können das EU-Verbot verkraften. Die Deutsche Börse konzentriert sich nun auf ihr Wachstumsprogramm aus eigener Kraft." Es sei nun aber mit einem zähen Wettlauf aller Börsenplätze - die asiatischen eingeschlossen - um die beste Positionierung an den Kapitalmärkten zu rechnen, so Francioni weiter.

Erhoffte Vorteile auf Märkten in USA und Asien

EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia hatte das Nein zur Fusion der Börsen in Frankfurt und New York zum größten Handelsplatz der Welt vor allem damit begründet, ein Quasi-Monopol im globalen Markt für Termingeschäfte verhindern zu müssen. Im Falle eines Zusammenschlusses hätten die beiden führenden transatlantischen Börsenbetreiber mehr als 90 Prozent des börsengebundenen Derivatehandels mit europäischen Werten kontrolliert. Derzeit teilen sich mit Eurex (Deutsche Börse) und Liffe (New York Stock Exchange Euronext) Tochterfirmen der beiden Fusionspartner den Markt. Das äußerst lukrative Geschäft bilde "den Kern des Finanzsystems", sagte Almunia. Die Fusion hätte den Wettbewerb ausgeschaltet - und den Einstieg neuer Konkurrenten blockiert.

EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia
EU-Wettbewerbskommissar Joaquin AlmuniaBild: AP

Das Aus für den Zehn-Milliarden-Dollar-Deal ist ein Dämpfer für beide Unternehmen: Sie wollten sich durch die Fusion auch besser gegen große Konkurrenten in den USA und Asien wappnen. Allerdings nicht um jeden Preis. Die Auflage Almunias, sich von ihren Derivate-Geschäften zu trennen, lehnten sie ab.

Die NYSE Euronext erklärte, es werde nun über die Auflösung der Fusionsvereinbarung diskutiert. Sie signalisierte damit, dass man in New York nicht mehr auf eine Revidierung der Kommissionsentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof hofft. "Es ist jetzt Zeit, nach vorne zu blicken", sagte NYSE-Euronext-Vorstand Jan-Michiel Hessels. Quasi als Trostpflaster für die Aktionäre will die Börse einen auf Eis gelegten, 550 Millionen Dollar schweren Aktienrückkauf wieder aufnehmen. Das beflügelt üblicherweise den Kurs.

Börsen-Mitarbeiter reagieren mit Erleichterung

Im Unterschied zu Francioni und den anderen Chefs reagierten die Arbeitnehmer der Deutschen Börse mit deutlicher Erleichterung auf die Brüsseler Entscheidung. Sie sei froh, dass dieses Megaprojekt gescheitert sei, sagte Betriebsratschefin Irmgard Busch. Der geplante Deal hätte enorme Risiken für die Mitarbeiter in Deutschland mit sich gebracht. Und auch die Anleger der Deutschen Börse schienen nicht allzu berührt zu sein, legte der Kurs des DAX-Unternehmens doch immerhin noch um 0,5 Prozent zu.

Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni (Foto: dapd)
Deutsche-Börse-Chef Reto FrancioniBild: dapd

Widerstand gegen das Projekt kam bis zuletzt auch aus Hessen. Mitarbeiter und Politiker fürchteten, dass es zu einem Ausverkauf des Finanzplatzes Frankfurt kommen könnte. Ein Knackpunkt: Der fusionierte Konzern sollte über eine in den Niederlanden angesiedelte Dachgesellschaft gesteuert werden. Der gesamte Gewinn wäre dann künftig an die Holding abgeführt worden. Hessens Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) hatte immer wieder betont, der vorgelegte Plan reiche nicht aus, um die börsenrechtlichen Bedenken der hessischen Börsenaufsicht auszuräumen.

Für die Deutsche Börse ist es nicht die erste gescheiterte Übernahme. In den vergangenen Jahren hatte der Börsenbetreiber zweimal vergeblich versucht, die prestigeträchtige London Stock Exchange zu kaufen. Zudem misslang auch die Übernahme der europäischen Vierländerbörse Euronext. Diese gehört mittlerweile zum Wall-Street-Betreiber NYSE.

sti/SC (dapd, dpa, rtr, afp)