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Gekommen, um zu bleiben

Pandeli Pani12. Januar 2013

Die meisten albanischen Migranten verlassen ihre Heimat, um sich dauerhaft im Ausland niederzulassen. Ein Viertel der Bevölkerung ist seit 1990 bereits aus Albanien weggezogen.

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DW-Grafik: Peter Steinmetz

Seine Flucht aus Albanien brachte den ehemaligen Grenzsoldaten Ismail Ende der 1950er Jahre zunächst nach Griechenland. Nach einigen Monaten in einem griechischen Lager gingen die meisten seiner Kameraden, die mit ihm geflohen waren, in die USA - ein bevorzugtes Ziel der albanischen Emigration seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Ismail aber entschied sich für Deutschland, wo er einige Jahre später seine deutsche Frau heiratete.
 
Nach seiner Flucht durfte Ismail jahrzehntelang keinen Kontakt zu seiner Familie und seinen Verwandten in Albanien haben, denn als Flüchtling galt er als Staatsfeind. "Die Außenwanderung war fast vollständig unterbunden. Gelang dennoch jemandem die Flucht, so hatte seine Familie mit harten Konsequenzen zu rechnen“, erklärt Daniel Göler, Experte für geographische Migrations- und Transformationsforschung an der Universität Bamberg. Im kommunistischen Albanien waren Auslandsreisen streng reglementiert und gesteuert: Sie waren nur in selten Fällen und mit einer Sondergenehmigung möglich, zum Beispiel im Fall von Diplomaten oder ausgewählten Studenten.

Sinnbilder für Migrationsströme

In den ersten Jahren nach der Machtergreifung der Kommunisten (1944) konnten noch einige Tausend Regimegegner das Land verlassen, doch seit 1948 waren die Grenzen geschlossen. Unter der Diktatur Enver Hoxhas schottete sich Albanien sowohl vom Westen als auch vom damaligen Ostblock ab.

Erst im Juli 1990 war Albanien wieder im internationalen Migrationsgeschehen präsent. 1990 und 1991 gingen spektakuläre Bilder um die Welt: Eine Gruppe Albaner durchbricht mit einem Lastwagen die Mauer der deutschen Botschaft in Tirana und bittet um Asyl. Andere wagen auf rostigen, kaum seetüchtigen Booten die Überfahrt nach Italien auf der Suche nach einer besseren Zukunft. Diese Bilder sind zu einem Sinnbild für die Migrationsströme der 1990er Jahre nach Westeuropa geworden.

Von 1990 bis 2004 haben rund eine Million Menschen Albanien verlassen, was einem Viertel der Gesamtbevölkerung und einem Drittel der Erwerbstätigen entspricht. Aus Albanien hat sich im Vergleich zu den anderen ehemaligen kommunistischen Staaten Europas der prozentual größte Bevölkerungsanteil für die Emigration entschieden.
 
Immer mehr albanische Studenten in Deutschland

Laut einer Umfrage des albanischen Amts für Statistiken (INSTAT) war Deutschland in den Jahren 1990-1995 nach Italien das beliebteste Ziel albanischer Emigranten. Das Statistische Bundesamt registrierte 3298 albanische Einwanderer  für das Jahr 1990. Zwischen 1992 und 2010 kamen im Durchschnitt jährlich 10.000 bis 12.000 albanische Migranten nach Deutschland. 2011 waren es fast 10.300. Zurzeit kommen immer mehr Albaner zum Studium nach Deutschland.

Nach Angaben von EUROSTAT liegt Albanien als Herkunftsland von Migranten, die in die EU auswandern, mit etwa einer Million Auswanderern auf Platz drei. Wegen der geographischen Nähe leben die meisten albanischen Migranten in Griechenland (etwa 500.000) und Italien (etwa 200.000).

Die meisten dieser Menschen entschieden sich aus wirtschaftlichen Gründen für ein Leben im Ausland, erklärt Dhimiter Doka von der Universität Tirana. In manchen Fällen hätten auch politische Gründe eine Rolle gespielt. Das zeigten Befragungen von albanischen Migranten in Westeuropa, aber auch im Land selbst.

Albaner bekommen in Deutschland kein Asyl

Da es für Albaner sehr schwierig ist, eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bekommen, geschehen etwa 70 Prozent dieser Migration in die Bundesrepublik illegal. Aus diesem Grund wurde "Asyl" über mehrere Jahre zum Zauberwort, um zumindest einen temporären Aufenthalt in Deutschland oder in einem anderen EU-Land zu erhalten.


Doch Albaner werden in Deutschland seit 1991 nicht mehr als asylberechtigt anerkannt. Daher ziehen jährlich etwa 1500 Albaner wieder aus der Bundesrepublik in die alte Heimat. Laut den Statistiken des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aus dem Jahr 2007 gehören Albaner zu den Staatsangehörigkeitsgruppen, deren Bürger am häufigsten aus Deutschland abgeschoben werden.  

Unter denjenigen, die hier bleiben dürfen, haben viele die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt und erhalten. Das ist ein zentrales Merkmal der albanischen Migration: Die meisten Albaner verlassen ihr Land mit der Absicht, sich dauerhaft im Ausland niederzulassen – genau wie der ehemalige Grenzsoldat Ismail.

30 Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland haben ihm seine Kinder Drita und Hasan einen Herzenswunsch erfüllt: Sie besuchten an der Universität Bonn einen Albanisch-Kurs. Mit der Hilfe eines albanischen Lektors kamen sie der Sprache und der Kultur näher, die der Vater bei seiner Flucht in die Bundesrepublik mitgebracht hat.

Eine Asylbewerberin im Wohnheim der Zentralen Ausländerbehörde des Landes Brandenburg.(Foto: Patrick Pleul dpa/lbn)
Das Asylverfahren als eine der wenigen Möglichkeiten, in Deutschland zu bleibenBild: picture-alliance/ZB
Der albanische Diktator Enver Hodscha streckt kämpferisch die Faust in die Höhe. (Foto: dpa)
In der Diktatur von Hodscha war die Emigration fast unmöglichBild: picture-alliance/dpa