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Geiseln müssen Befreiungskosten selbst zahlen

28. Mai 2009

Reisende, die im Ausland als Geisel genommen werden, müssen sich an den Kosten ihrer Befreiung beteiligen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.

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Die Ex-Geiseln Asier Huegun Exteberria (m.) und Reinhilt Weigel (r.), aufgenommen in Valledupar (Foto: dpa)
Nach zehnwöchiger Geiselhaft in Kolumbien kam Reinhilt Weigel im November 2003 freiBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Der Staat darf die Kosten für eine Geiselbefreiung im Ausland von den Betroffenen zurückverlangen. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in einem am Donnerstag (28.05.2009) verkündeten Grundsatzurteil.

Mit dieser Entscheidung wies das Gericht die Klage von Reinhilt Weigel ab, die 2003 in die Gefangenschaft kolumbianischer Rebellen geraten war. Nach dem Urteil muss die 36-Jährige nun anteilige Kosten eines Hubschrauberflugs in Höhe von 12.640 Euro bezahlen. Die bei der Urteilsverkündung anwesende ehemalige Geisel zeigte sich schwer enttäuscht. Sie wisse nicht, wie sie das Geld aufbringen solle. Ihr Leben sei zumindest für die kommenden Jahre ruiniert, erklärte sie.

"Hilfe zur Behebung einer Notlage" muss erstattet werden

Reinhilt Weigel bei ihrer Ankunft am Bremer Flughafen (Foto: dpa)
Reinhilt Weigel nach ihrer Befreiung bei der Ankunft in BremenBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Reinhilt Weigel war im September 2003 auf einer Trekkingtour in Kolumbien gemeinsam mit anderen Teilnehmern in die Hand der Rebellen geraten. Nach intensiven Bemühungen des Auswärtigen Amtes sowie Vermittlung durch das Rote Kreuz und die katholische Kirche kam sie nach zehn Wochen gemeinsam mit einer spanischen Geisel frei. Wie von den Entführern gefordert, wurden beide Geiseln von einem zivilen Hubschrauber in die Hauptstadt Bogotá gebracht, von wo Weigel nach Deutschland zurückflog.

Die Charterkosten für den Hubschrauber teilten sich zunächst Deutschland und Spanien, den deutschen Anteil forderte das Auswärtige Amt dann von Weigel zurück. Dagegen klagte sie. Die Klage hatte zunächst vor dem Verwaltungsgericht Berlin Erfolg. Weder im Konsulargesetz noch im Auslandskostengesetz sei eine Erstattungspflicht vorgesehen, urteilten die Verwaltungsrichter. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg war im Revisionsverfahren allerdings anderer Meinung. Die Richter hoben das Urteil mit der Begründung auf, dass eine Erstattungspflicht auf die bestehenden Gesetze gestützt werden könne.

Diese Entscheidung wurde nun von den Bundesrichtern bestätigt. Der Hubschrauberflug sei eine "Hilfe zur Behebung einer Notlage" gewesen, urteilte das BVG. Laut Konsulargesetz müssten die Empfänger solche Auslagen erstatten. Das gelte nicht nur für Geld oder Sachen, die die Reisenden selbst bekommen, sondern auch für anderweitige Ausgaben an Dritte, die "unmittelbar zur Behebung der Notlage bestimmt sind".

Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein

Grundsätzlich hätten die zuständigen Stellen aber die Möglichkeit festzustellen, ob unter gewissen Voraussetzungen auf einen Teil der Kostenerstattung verzichtet werde. Dies könnte von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht werden. Beispielsweise könnte es eine Rolle spielen, ob es wie im vorliegenden Fall eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gegeben hätte.

Auch könne berücksichtigt werden, ob es sich um eine touristische Reise oder etwa den dienstlichen Einsatz eines Entwicklungshelfers gehandelt habe. Eine Minderung sei bei der Klägerin nicht notwendiger Weise vorzunehmen.

Anwalt weist Einschätzung des Auswärtigen Amtes zurück

Der Anwalt von Reinhilt Weigel hatte hingegen keine gesetzliche Grundlage für die Rückforderung gesehen und argumentiert, das Konsulargesetz hebe lediglich auf wirtschaftliche oder soziale Notfälle ab, in denen zum Beispiel die Rückreise Betroffener nach Verlust von Reisetickets oder anderer Dokumente aus dem Ausland bezahlt werde.

Der Hubschrauberflug sei jedoch nicht Teil der Rückführung, sondern vielmehr der Befreiung seiner Mandantin gewesen. Würden Geiseln die Kosten von Befreiungsaktionen auferlegt, kämen leicht extrem hohe Forderungen auf sie zu. Er verwies darauf, dass es aus seiner Sicht eine Gesetzeslücke für solche Fälle gebe.

Der Vertreter des Auswärtigen Amts, Benjamin Beckmann, entgegnete, das Ministerium stelle natürlich nicht sämtliche bei Geiselnahmen entstehenden Kosten in Rechnung. So würden Arbeitszeiten von Konsularbeamten oder Krisenstäben nicht angerechnet. Er widersprach dem Anwalt der Frau, der sagte, gängige Verwaltungspraxis sei es, nur die Kosten zu verlangen, die nach einer Befreiung aus der Geiselhaft entstünden. Beckmann führte an, dass zum Beispiel Geiseln Medikamente in Rechnung gestellt worden seien, die diesen während ihrer Haftzeit zugesandt wurden. (je/hf/ap/afp/epd/dpa)