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Geiseldrama dauerte 444 Tage

Peter Philipp4. November 2004

Vor 25 Jahren, am 4. November 1979, haben revolutionstreue Studenten in Teheran die US-Botschaft besetzt und rund 90 Geiseln festgehalten. Damit begann ein Drama, dessen Folgen noch heute spürbar sind.

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Endlich in Freiheit: Geiseln aus der US-Botschaft in Teheran (Archivbild, 1981)Bild: dpa

Das Jahr 1979 ist ein Schicksalsjahr in der Geschichte des Iran: Nach 38 Jahren Herrschaft gibt Schah Mohamed Reza Pahlavi dem Druck der Straße nach und verlässt am 16. Januar das Land. Das ist der Beginn der "Islamischen Revolution".

Nur Tage später kehrt der seit langem im Exil lebende Ayatollah Khomeini in den Iran zurück. Die vom Schah eingesetzte Militärregierung hat keinen Bestand: Blutige "Säuberungen" unter den Anhängern des Schahs lösen eine Massenflucht aus, im April 1979 wird die "Islamische Republik" ausgerufen. Es herrscht Chaos.

Pulverfass explodiert

Das Chaos erfasst auch die Ausländer im Iran, in erster Linie die Amerikaner: Sie sind jahrzehntelang die engsten Verbündeten des Schahs gewesen: Washington hat den Iran des Schahs im Laufe der Zeit zur größten Militärmacht der Region auf- und ausgebaut. Die USA haben darüber hinweggesehen, dass der Schah im Inneren ein eisernes Regime ausübt, das weit entfernt ist von den Grundsätzen auch amerikanischer Ansprüche auf Freiheit und Menschenrechte: Politische Gegner werden verfolgt, der Geheimdienst "Savak" ist berüchtigt, das Heer der Exiliraner wächst beständig.

Washington ordnet die Evakuierung der Familienangehörigen und des "entbehrbaren" Personals an. Die US-Botschaft aber arbeitet weiter - ohne jeden Kontakt zu den neuen Machthabern. Am 4. November 1979 stürmen Tausende iranischer Studenten das Gelände der US-Botschaft, besetzen sie und nehmen rund 90 Personen als Geiseln fest.

Historischer Kontext

Massoumeh Ebtekar
Die für Umwelt zuständige iranische Vizepräsidentin Massoumeh EbtekarBild: dpa

Die Studenten erklären zunächst, die Geiseln würden wohl bald wieder freigelassen werden und man behandle sie gut. Nach vierzehn Tagen kommen die Nicht-Iraner und 13 Amerikaner frei: Frauen, Kinder und Schwarze. Für die restlichen 52 beginnt ein Drama von beinahe eineinviertel Jahren.

Sprecherin der Studenten ist die damals 19-jährige Massoumeh Ebtekar. Heute ist Ebtekar Vizepräsidentin des Iran und Leiterin der Umweltbehörde. Im Rückblick auf jene Tage mahnt sie, man müsse solche Ereignisse immer in ihrem historischen Umfeld betrachten.

Das Land habe Jahrzehnte lang unter Kolonialismus und Imperialismus gelitten und sich 1979 nicht nur vom Schah befreit, sondern auch von ausländischem, besonders amerikanischem, Einfluss. Man habe damals eine "neue iranische Demokratie" etabliert. Die Studenten seien misstrauisch gewesen, "sie fühlten, dass die neu eingerichtete islamische Demokratie im Iran wieder durch eine ausländische Intrige unterminiert werden könnte", sagt Ebtekar rückblickend.

Funkstille auf längere Zeit

Iran - Ehemalige US-Botschaft in Teheran
Die ehemalige US-Botschaft in Teheran: Vor 25 Jahren wurde sie von radikalen Studenten besetztBild: dpa

In der Welt und besonders in den USA wird die Besetzung der Botschaft als weiteres Zeichen dafür gewertet, dass der Iran sich nicht an internationale Gepflogenheiten hält und keine Rücksicht auf Konventionen, Menschenrechte und diplomatische Spielregeln nimmt. Es kommt zum totalen Bruch zwischen Washington und Teheran. Ein Bruch, der auch noch immer andauert.

In Washington wird die Besetzung der Botschaft zu einer "Sache der nationalen Ehre". Ebenso setzt man alles daran, dieser Blamage ein ehrenvolles Ende zu bereiten und macht die Dinge nur noch schlimmer: Im April 1980 verhängt Jimmy Carter ein völliges Embargo über den Iran. Am 24. April versucht Washington, mit einer Kommandoaktion die Geiseln zu befreien. Was jedoch nicht gelingt.

Längst hat das Teheraner Regime den Studenten die Verantwortung abgenommen. Es kommt zu endlosen diplomatischen Bemühungen, die sowohl vom Ausbruch des iranisch-irakischen Golfkrieges unbeeinflusst bleiben als auch vom amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf.

Aufhebung der Sanktionen

Anfang 1981 folgt schließlich das Abkommen von Algier: Washington erklärte sich bereit, im Austausch für die Geiseln eingefrorene Guthaben des Iran freizugeben und die Handelssanktionen aufzuheben. Am 21. Januar 1981 kann Jimmy Carter im Auftrag seines inzwischen gewählten Nachfolgers Ronald Reagan die Geiseln schließlich auf einem US-Militärflugplatz in Deutschland begrüßen.

Bruce Laingen war damals der ranghöchste amerikanische Diplomat in der Botschaft, der von den Geiselnehmern festgesetzt wurde. Inzwischen ist er Präsident der "American Academy of Diplomacy". Die Besetzung der Botschaft durch die Studenten hält er für "in jeder Hinsicht falsch: politisch, kulturell, historisch, juristisch. Der Iran zahlt bis heute dafür". Er setzt auf Dialog: "Wir haben seit 25 Jahren nicht offiziell mit dem Iran gesprochen. Und das ist falsch. Es gibt viele Dinge, über die wir reden müssen und wir sollten damit so bald wie möglich beginnen."