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Geheimniskrämerei à la Ostblock

Rüdiger Maack16. April 2002

Die Umstände des Anschlages von Djerba bleiben weiterhin unklar. Die Informationspolitik der tunesischen Regierung öffnet Spekulationen Tor und Tür. Rüdiger Maack kommentiert.

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Fast einen ganzen Tag hatte es gedauert, bis Journalisten und Angehörige die Ghriba-Synagoge besuchen konnten, den Ort, an dem sich am Donnerstag letzter Woche die schreckliche Explosion ereignet hatte. 24 Stunden sind eine lange Zeit - und den Besuchern präsentierte sich eine Synagoge, an der schon versucht worden war, die Spuren der Explosion zu beseitigen. Da wurde ein bisschen frische Farbe aufgelegt und ein bisschen aufgeräumt.

Kein Wunder, dass unabhängige Beobachter stutzig wurden. Auch wenn mittlerweile kaum noch jemand von einem Unfall ausgehen mag. Die tunesische Regierung tut sich jedenfalls unendlich schwer damit, zuzugeben, dass die Unfall-Version nicht mehr aufrecht zu erhalten ist. Es gab eine dürre Erklärung - der Rest war Schweigen.

Sicher, für Tunesien ist die Explosion ein schwerer Schlag. Gerade hatte sich der Tourismus wieder aus der Flaute befreit, in die er nach dem Terroranschlag in New York geraten war. Und das Land ist mittlerweile vom Tourismus völlig abhängig. War die Explosion ein Attentat, wäre das eine Katastrophe für das kleine Land am Mittelmeer, wirtschaftlich und politisch.

Wäre Tunesien Aufmarschgebiet extremistischer Gruppen, dann stünde das Regime von Präsident Ben Ali vor den Trümmern seiner Arbeit. Und es wäre vermutlich von der innenpolitischen Realität eingeholt worden. Denn Beobachter glauben, dass bei freien Wahlen fast ein Drittel der Tunesier ihr Kreuz bei den Islamisten machen würden.

Nun soll es ja aber, darf man den dürren offiziellen Statements glauben, kein Attentat gewesen sein. Warum aber gibt es dann Augenzeugenberichte deutscher Urlauber, die von einem Unfall nichts wissen wollen? Warum durfte stundenlang niemand an den Unglücksort?

Warum brannte die Synagoge von innen, wenn der angebliche Lastwagen vor der Mauer explodiert sein soll? Warum wurde hektisch mit Farbe hantiert, bevor der Unglücksort der Öffentlichkeit präsentiert wurde? Wie kommt ein Lastwagen in einer engen Gasse ins Schleudern? Was machte ein Lieferwagen mit Gas in einer Gasse, in der es eine Synagoge und eine Moschee gibt - aber keine Abnehmer für so große Mengen Gas?

Fragen, auf die die Behörden keine Antwort geben und damit der Spekulation Tür und Tor öffnen. Ausländische Beobachter erinnert das an die Art, wie die Sowjetunion oder die DDR mit Katastrophen umgingen.