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Geheimdienstchefs treten zum Rapport an

5. Januar 2010

Nach dem vereitelten Anschlag auf ein US-Flugzeug nimmt Barack Obama die Chefs seiner Sicherheitsbehörden ins Kreuzverhör. Bei einer Krisensitzung berät Obama mit ihnen über Konsequenzen aus der Beinahe-Katastrophe.

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Das Weiße Haus (Foto: AP)
Sicherheitstreffen im Weißen HausBild: AP

Die us-amerikanische Öffentlichkeit ist entsetzt über Sicherheitslücken und Pannen der Geheimdienste. Am Dienstag (05.01.2010) hat US-Präsident Barack Obama nun die Chefs seiner Geheimdienste und Sicherheitsbehörden zum Rapport ins Weiße Haus bestellt, darunter etwa CIA-Direktor Leon Panetta, der Chef der Nationalen Nachrichtendienste, Dennis Blair, FBI-Direktor Robert Mueller sowie Obamas Sicherheitsberater James Jones und sein Terrorismus-Berater John Brennan.

Zu dem Kreis gehören auch Verteidigungsminister Robert Gates, Heimatschutz-Ministerin Janet Napolitano und Außenministerin Hillary Clinton. Obama hatte bereits in den vergangenen Tagen signalisiert, er wolle auch personelle Konsequenzen ziehen. Nach dem Sicherheitstreffen will sich Obama selbst öffentlich äußern.

Harsche Kritik Obamas

Barack Obama (Foto: AP)
Präsident Obama: Unzufrieden mit der Arbeit seiner SicherheitsbehördenBild: AP

Von einem Kaffeekränzchen im Weißen Haus kann wohl kaum die Rede sein: Im Zentrum des Interesses steht die Frage, warum vor dem vereitelten Attentat am ersten Weihnachtstag einige Warnungen und Hinweise von den Geheimdiensten nicht ernst genug genommen wurden. Obama hatte kritisiert, der 23-jährige Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab hätte nach den vorliegenden Hinweisen niemals ein US-Flugzeug betreten dürfen.

Abdulmutallab war am 25. Dezember von Passagieren und Besatzung in einem US-Passagierflugzeug daran gehindert worden, während des Landeanflugs auf Detroit eine Sprengladung zu zünden. Unter anderem hatte der Vater des Mannes die US-Botschaft in Nigeria und den Geheimdienst CIA vor der islamistischen Radikalisierung seines Sohnes gewarnt. Dennoch seien die Warnungen eher wie Routinehinweise behandelt worden, hieß es. Zudem seien Schwachstellen in der Zusammenarbeit der verschiedenen US-Sicherheitsbehörden zu Tage getreten. Nach Meinung Obamas handelte es sich bei den Sicherheitslücken um eine "Mischung aus menschlichen Fehlern und Systemfehlern".

Dabei haben die Sicherheitsschützer bereits eine Reform hinter sich: Die amerikanischen Geheimdienste waren erst 2004 als Antwort auf die Pannen vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001 reformiert worden. Auch damals waren Warnungen übergangen, nicht weitergereicht oder nicht richtig ausgewertet worden.

Obama vermutet Drahtzieher im Jemen

Mutmaßliche jemenitische El-Kaida-Mitglieder in einem Gefängnis eines Gerichts in Sanaa (Foto: dpa)
Unter Terrorverdacht: Angeklagte im JemenBild: picture alliance / dpa

Obama hat das regionale El-Kaida-Netzwerk im Jemen für den vereitelten Anschlag verantwortlich gemacht. Dort sei der Nigerianer ausgebildet worden, dort habe er Instruktionen für den Anschlag und auch den Sprengstoff bekommen. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, forderte der Präsident. Wie diese Konsequenzen aussehen könnten, davon sprach der US-Präsident bisher nicht. Außenministerin Clinton bezeichnete die Lage im Jemen unterdessen als eine Bedrohung für die ganze Welt.

Doch nicht nur die Lage im Jemen beschäftigt die us-amerikanischen Sicherheitsdienste: Auch die Arbeit der Geheimdienste in Afghanistan steht auf der politischen Agenda. Ausgerechnet wenige Stunden vor dem Krisengipfel im Weißen Haus zeichnete der oberste Geheimdienstvertreter der USA in Afghanistan, Michael Flynn, ein verheerendes Bild des US-Nachrichtendienstes am Hindukusch. Die US-Agenten in Afghanistan seien "noch immer unfähig, fundamentale Fragen zu beantworten über das Umfeld, in dem wir im Einsatz sind, sowie über die Menschen, die wir versuchen zu schützen und zu überzeugen", schrieb der Generalleutnant in einem Bericht, der am Montag auf der Internetseite des Instituts "Center for a New American Security" veröffentlicht wurde. Die Probleme der US-Aufklärung seien "einstellungsbedingt, kulturell und menschlich".

Ahnungslose Geheimagenten in Afghanistan

Bild eines Hundeskampfes in Afghanistan (Foto: AP)
Die afghanische Kultur - für amerikanische Geheimdienste ein Buch mit sieben Siegeln?Bild: AP

Flynn konkretisiert seine Kritik: In der ungewöhnlich offenen Beschreibung der US-Aufklärungsaktivitäten mit dem Titel "Den Dienst in Ordnung bringen: Ein Plan, um den Geheimdienst in Afghanistan bedeutend zu machen" benennt Flynn eine Reihe von Schwachpunkten. Die US-Agenten wüssten wenig über die Wirtschaft, seien ahnungslos über die Machtcliquen und nicht interessiert an der Zusammenarbeit mit den Dorfbewohnern beim Aufbau des Landes. Er bilanziert: "Die US-Geheimdienstoffiziere können nicht viel mehr machen als mit den Schultern zu zucken", wenn ranghohe Entscheidungsträger nach Informationen suchten, die sie für eine erfolgreiche Aufstandsbekämpfung brauchten. Den US-Agenten fehle es so sehr an Informationen aus "dem Feld", dass einige ihre Arbeit mit "Wahrsagerei" anstatt ernsthafter Ermittlungsarbeit verglichen.

Offenbar ist auch Präsident Obama selbst in den Fokus der Terroristen gerückt. Wie die "New York Times" berichtete, befürchteten die US-Sicherheitsbehörden bei der Amtseinführung Obamas am 20. Januar 2009 einen Terroranschlag. Es habe damals ernste Hinweise auf somalische Extremisten gegeben, die aus Kanada einreisen und bei den Feierlichkeiten einen Sprengstoffanschlag verüben wollten. Später habe sich das alles als "falscher Alarm" herausgestellt.

Autor: Marcus Bölz (AP, dpa)
Redaktion: Ursula Kissel