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Politik

Maaßen kritisiert seelenlose Zombie-Netzwerke

27. November 2017

Verfassungsschutz-Präsident Maaßen geht Facebook, Twitter und Co. frontal an. Die Internetgiganten seien eine Macht, die Ansprüche erhebe, aber bisher keine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen wolle.

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Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz
Bild: picture-alliance/dpa/M.Kappeler

Soziale Netzwerke gehören zu den am schnellsten wachsenden Bereichen des Internets. Bei einer Veranstaltung in Berlin geht Verfassungsschutz Präsident Hans-Georg Maaßen mit ihnen hart ins Gericht. Internet-Giganten wie Facebook und Twitter wirft er Verantwortungslosigkeit vor. "Silicon Valley ist zweifellos gut im Umwälzen unserer alten Industrielandschaften, aber nicht immer gut darin, die Folgen abzuschätzen", sagte der Leiter des deutschen Inlandsgeheimdienstes. Für die etablierten Medien habe sich die Bezeichnung vierte Gewalt eingebürgert. "Heute entdecken wir eine fünfte Macht, die zwar Ansprüche erhebt, aber bisher keine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen will", kritisierte Maaßen. "Es sind riesige Digitalkonzerne, die sich lediglich als Transporteure von Information verstehen, sich hinter rechtlichen Plattform-Privilegien wegducken, weil sie die redaktionelle Prüfung ihrer Inhalte nicht übernehmen wollen."

Vergiftung liberaler Gesellschaften

Die Digitalisierung könne dem demokratischen Diskurs zweifellos dienen, aber sie könne die Nervenbahnen liberaler Gesellschaften auch überreizen und vergiften, warnte der Verfassungsschutz-Präsident. Die Internet-Giganten gäben sich zwar transparent und altruistisch, versteckten hinter dieser Fassade aber ihre Macht- und Profitinteressen. Ihre Algorithmen lenkten und beeinflussten nach emotionalen oder intransparenten Kriterien nicht nur Datenströme, sondern auch die politische Willensbildung. In der Demokratie dürften Meinungen und Fakten jedoch nicht als gleichwertige Datenpakete gehandelt werden, sie seien nicht einfach Bits und Bytes.

"Zombie-Netzwerke"

"Genau das geschieht jedoch, zumal wenn hinter den Posts und Tweets gesteuerte Botnetzwerke stecken, die millionenfach seelenlose Zombie-Meinungen streuen und politische Debatten lediglich simulieren", kritisierte Maaßen. Die Zombie-Netzwerke könnten Diskurse lenken und infizierten Menschen, deren reale Empörung reale Konsequenzen erzeuge. Dieses Muster sei in der Brexit-Debatte, im US-Wahlkampf und in der Asyldiskussion in Deutschland zu beobachten gewesen. "Wenn es auf Fakten nicht mehr ankommt und die Realität auf Meinungen reduziert wird, verliert der demokratische Pluralismus sein Fundament", warnte der Verfassungsschutz-Präsident. "Eine offene pluralistische Gesellschaft verträgt viele Meinungen, aber nicht viele Wahrheiten."

Er begrüße daher sehr, dass die Rolle der Tech-Giganten derzeit in den USA durchaus hinterfragt werde. "Es ist bezeichnend, dass die hauseigenen Unternehmensjuristen von Facebook Anfang des Monats in einer Anhörung vor dem US-Kongress einräumen mussten, dass 126 Millionen Menschen bei Facebook jene politischen Botschaften gesehen haben, die von einer Firma platziert wurden, die eng mit der russischen Regierung verbunden sein soll", sagte Maaßen. "Die Internet-Propheten des (Silicon) Valley predigen Transparenz und die totale Vernetzung in der Cloud. Sie säen aber simulierte Informationsfreiheit - und wir ernten reale Datenunsicherheit."

qu/se (rtr)