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Politik

"Gefährliches Spiel Südkoreas"

Julian Ryall
11. Januar 2017

Eigentlich sollte der Streit um Zwangsprostituierte in Japans kaiserlicher Armee erledigt sein, so der Plan der Staatschefs Park und Abe. Aber Südkoreas innenpolitisches Erdbeben hat dem Thema neue Brisanz verliehen.

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Südkorea 'Trostfrauen'-Statue vor dem japanischen Konsulat in Busan (Foto: Reuters/News1/Y. Joo-yeon)
Bild: Reuters/News1/Y. Joo-yeon

Im Dezember 2015 hatten Japan und Südkorea ein "abschließendes und irreversibles" Abkommen zur Regelung der Frage der südkoreanischen Zwangsprostituierten in japanischen Frontbordellen im Zweiten Weltkrieg geschlossen. Das Leid der in Japan verharmlosend "Trostfrauen" genannten Südkoreanerinnen hatte die bilateralen Beziehungen jahrzehntelang schwer belastet; mit dem Abkommen sollte ein Schlussstrich unter die Vergangenheit gezogen werden. Das wollen viele in Südkorea jedoch nicht mitmachen. Um Japan an seine Kriegsschuld zu erinnern, wurden von Bürgern an mehreren Stellen im Land Statuen zur Erinnerung an die Zwangsprostituierten errichtet,  am prominentesten vor der japanischen Botschaft in Seoul.

Die Errichtung eines weiteren solchen Mahnmals vor dem japanischen Konsulat in der zweitgrößten südkoreanischen Stadt Busan – das 55. seiner Art in Südkorea – veranlasste Japan am vergangenen Wochenende zum Protest: Es rief seinen Botschafter nach Hause zurück ebenso wie den Konsul in Busan. Außerdem kündigte Tokio an, die Gespräche über ein neues Währungstausch-Abkommen (currency swap agreement) auf Eis zu legen. Tokio sieht in der Errichtung der Mahnmale in Sichtweite seiner diplomatischen Vertretungen einen Verstoß gegen die Wiener Konvention über konsularische Beziehungen und verlangt von Seoul, solche Aktivitäten seiner Bürger zu unterbinden.

Plakate mit Park Geun-hye als Puppenspielerin und Marionette (Foto: picture alliance/AP Photo/A.Young-Joon)
Korruption steht im Mittelpunkt der Kritik an Präsidentin Park. Aber auch das Abkommen mit Japan über Sexsklavinnen wird von vielen abgelehnt.Bild: picture alliance/AP Photo/A.Young-Joon

Selbstverbrennung aus Protest gegen Abkommen

Das von Präsidentin Park mit ihrem Amtskollegen Abe vereinbarte Abkommen zur Beilegung des Streits um die Zwangsprostituierten gerät nun auch in den Strudel der innenpolitischen Krise in Südkorea. Ein buddhistischer Mönch protestierte während einer Massenkundgebung gegen Präsidentin Park am vergangenen Samstag durch einen Akt der Selbstverbrennung gegen das genannte Abkommen, in seinen Aufzeichnungen wird Park als "Verräterin" bezeichnet. Der Mönch ist inzwischen seinen Verbrennungen erlegen.

In Tokio wird befürchtet, dass eine neue Führung in Südkorea das Ende 2015 geschlossene Abkommen annullieren und neue Zugeständnisse von Japan verlangen könnte. "Linke Kräfte in Südkorea waren von Anfang an gegen das Abkommen zur Frage der Zwangsprostituierten", sagt Yoichi Shimada von der Universität  der Präfektur Fukui gegenüber der DW. "Sie betonen gleichzeitig, dass Präsidentin Park die Tochter eines früheren pro-japanischen Generals ist." Park Chung-hee diente in der kaiserlichen  japanischen Armee und regierte Südkorea in der Nachkriegszeit 18 Jahre lang mit diktatorischer Macht, bis er im Oktober 1979 einem Attentat zum Opfer fiel. "Die Frage der  sogenannten Trostfrauen dient der Linken als willkommener Anlass, um gegen Park zusätzlich Stimmung zu machen", meint Shimada.

Kim Jong Un im Kreise von Offizieren (Foto: Getty Images/AFP/KCNA)
Angesichts der von Nordkorea errichteten Drohkulisse sind Spannungen mit Japan nicht förderlichBild: Getty Images/AFP/KCNA

Schwierige Lage für Südkorea

In Japan warte man jetzt erst einmal ab, bis sich die Lage in Südkorea beruhigt hat. Man gehe davon aus, dass die USA auf Südkorea einwirken werden, an dem Abkommen festzuhalten. Eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen seinen beiden wichtigsten ostasiatischen Verbündeten könne angesichts der militärischen Aufrüstung Chinas und der immer schärferen nordkoreanischen Drohgebärden nicht im Interesse Washingtons sein.

Ein Grund für das erneute Hochkochen anti-japanischer Gefühle in Südkorea ist nach Ansicht von Stephen Nagy von der International Christian University in Tokio der Besuch des japanischen Verteidigungsministers Tomomi Inada beim Yasukuni-Schrein, wo unter anderem als Kriegsverbrecher verurteilte japanische Offiziere begraben sind. "Es wird immer Leute in Südkorea geben, die sich nicht damit abfinden können, dass man Japan nicht zu einem Eingeständnis seiner Taten zwingen kann. Und es wird immer Gruppen geben, die bereit zu Protestaktionen sind, das Thema der Zwangsprostituierten wird uns also noch sehr lange Zeit begleiten", sagt Nagy gegenüber der DW.  Der Politikwissenschaftler meint allerdings, dass Südkorea angesichts seiner heiklen aktuellen Lage ein "gefährliches Spiel" spiele: "Seine Wirtschaft wird den chinesischen Wirtschaftsabschwung besonders stark zu spüren bekommen. Das politische Erdbeben durch den Skandal um (Noch-) Präsidentin Park geht weiter. Das nordkoreanische Regime fühlt sich offenbar sehr stark, und die zukünftige Politik von Donald Trump ist unklar.  Zu alldem kommen jetzt noch die japanischen Sanktionen hinzu."