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Gefangen in der Zwangsjacke der Jungdemokraten

22. Dezember 2003

– Kommentar zur ungarischen Innenpolitik 2003

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Budapest, 22.12.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Die Polarisierung der ungarischen Politik in den letzten Jahren hat zu zwei gleich großen politischen Lagern geführt, die einander bei Wahlkämpfen nur durch unerfüllbare Versprechen ausstechen können. Da der Verlierer jedoch auf Erfüllung der Zusagen drängt, kann der Gewinner bei einer schwachen Mehrheit nur zum Verlierer werden. So sitzen die Sozialisten und Liberalen, Gewinner der Wahlen im April 2002, in der Falle des Fidesz (Bund Junger Demokraten - MD) - zum Schaden des Landes.

Bereits beim Gewinn der Wahlen im vergangenen Jahr waren sich die klügeren Köpfe unter den Sozialisten im klaren darüber, dass die vom Fidesz hinterlassenen Kassen leer waren. Die Opposition fordert dennoch die Erfüllung der Wahlversprechen. Die Sozialisten konnten ihren Namen nicht Lügen strafen und setzten 2003 die Politik der sozialen Maßnahmen und der Lohnerhöhungen fort. Mit verheerenden Folgen für die wachstumsschwache Wirtschaft. Der Verbrauch der Haushalte wuchs mehr als dreimal so schnell wie die Wirtschaft. Das Außenhandelsdefizit überragt das Vorjahresdefizit um zwei Milliarden Euro. Wegen des Nachlassens der ausländischen Investitionen war die Regierung gezwungen, Kredite im Ausland aufzunehmen.

Auch die Misstöne zwischen Regierung und Notenbankpräsidenten Zsigmond Járai schwächten das Vertrauen der Finanzwirtschaft. Der unglückselige K&H-Brokerskandal erschütterte zudem das Vertrauen in die ungarischen Banken. Das Land geriet wieder in eine gefährliche Verschuldungsspirale. Drastische Sparmaßnahmen würde die Bevölkerung allerdings nicht hinnehmen. Die jetzt erfolgte Abschaffung der Wohnungskredit-Subventionen allein kann die Situation aber nicht entschärfen, warnen Experten. Nur die Rückkehr zu einer wachstumsorientierten Exportpolitik kann die Wirtschaft wieder in Gang bringen.

Zum Glück sind die Zeichen einer internationalen Konjunkturbelebung bereits da. Auch der nahe EU-Beitritt könnte mehr Unternehmen wieder nach Ungarn locken. Das Land braucht jetzt wirklich das, was der Slogan der Sozialisten im Wahlkampf 2002 war, eine Politik der nationalen Mitte. Es genügt nicht die im Mai 2002 angekündigte "Zuschüttung der Schützengräben", auf ihnen muss auch etwas aufgebaut werden. Die Politik der nationalen Mitte sollte eine Politik der ausgestreckten Hand sein, die auch die Wohlmeinenden des anderen Lagers in die Verwirklichung der eigenen Ziele mit einbezieht. Nur so kann die Regierung die Zwangsjacke des Fidesz ablegen. (fp)