Kampf um Worte
25. Juni 2009Verteidigungsminister Franz Josef Jung bleibt dabei. Die Bundeswehr engagiert sich in Afghanistan in einem Kampfeinsatz. Den Begriff Krieg hält er für nicht ausreichend. In der Frage, wie der Einsatz dort zu bewerten ist, gibt es so viele Meinungen wie Experten. Es herrsche große Verwirrung, räumt Ulrich Kirsch ein, der neue Chef des Bundeswehrverbands: "Wir haben ja auch die Diskussion gehabt: Sind das nun getötete oder verunfallte Soldaten? Heute redet jeder ganz selbstverständlich von Gefallenen."
"Wir sollten Klartext reden."
Jenseits aller theoretischen Debatten verweist Ulrich Kirsch auf die Erfahrung jener Frauen und Männer, deren Interessen er vertritt: "Wenn Sie sich überlegen, dass Sie in einem Einsatz sind, wo Sie Tod und Verwundung erleben, wo Sie selber töten müssen, dann können Sie nur zu der Überzeugung kommen, dass Sie in einem Krieg sind."
Er wolle keinen Krieg um Worte, sagte der Chef des Bundeswehrverbands im Nordwestradio. Aber die Debatte sei wichtig, damit in der Heimat verstanden werde, wofür deutsche Soldaten in Afghanistan kämpfen. "Die brauchen den Rückhalt in der Gesellschaft. Und wenn wir die Dinge in Deutschland schönreden, dann geht das auf Kosten der Verständlichkeit", sagt Ulrich Kirsch.
Wann ist ein Krieg ein Krieg?
Einer der es wissen müsste und der sich auch theoretisch mit Krieg und Frieden beschäftigt, ist Hans-Georg Ehrhart vom Institut für Friedensforschung in Hamburg. Um von einem Krieg sprechen zu können, müssten mehrere Voraussetzungen gegeben sein, so die Defintion von Erhardt im Interview mit Radio Bremen: "Bestimmte größere Gruppen müssen gegeneinander kämpfen – und zwar nicht nur sporadisch, sondern über einen größeren Zeitraum. Sie müssen organisiert sein, und sie müssen ein strategisches Ziel haben." Dies sei in Afghanistan, so der Friedensforscher, "natürlich eindeutig gegeben".
Das scheint die Mehrheitsmeinung unter Experten zu sein. Wobei es auch jene gibt, die den Verteidigungsminister verstehen können: etwa Tom Koenigs. Der Grünen-Politiker war von 2006 bis 2007 UN-Sondergesandter für Afghanistan: "Wichtig ist, dass man nicht nur die militärische Auseinandersetzung sieht, und in dem Punkt hat der Verteidigungsminister Recht."
Für die Soldaten sei diese semantische Frage selbstverständlich uninteressant. "Für die Soldaten fühlt sich das wie Krieg an, und die drei Gestorbenen sind eben drei Gefallene", sagte Tom Koenigs im Deutschlandfunk.
Auch Michael Wolffsohn, Professor an der Bundeswehr-Universität in München, bezeichnet den Afghanistan-Einsatz als Krieg. Im Mitteldeutschen Rundfunk forderte er Politiker und Bundesbürger auf, sich damit abzufinden, "dass man für Freiheit, Frieden und Sicherheit einen hohen Preis zahlen muss." Daran habe sich die deutsche Öffentlichkeit noch nicht gewöhnt, gibt Wolffsohn zu bedenken und fügt hinzu: "Deswegen agieren die Politiker so, wie sie agieren."
Somit geht es bei der Frage Krieg oder Kampfeinsatz wohl doch um mehr als um semantische Kunststücke eines Verteidigungsministers.
Autor: Andreas Main Redaktion: Karin Jäger