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Gefahr für EU-Vertrag

25. März 2009

Die Regierungskrise in Tschechien wäre für die EU nicht weiter bedeutsam, wenn der Lissabon-Vertrag nicht wäre, meint der Brüsseler DW-Korrespondent Christoph Hasselbach in seinem Kommentar.

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Symbolbild Kommentar (Foto: DW)
Bild: DW

Vor dem Europaparlament versuchte der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek, die Auswirkungen auf die EU herunterzuspielen. Das Misstrauensvotum werde die tschechische Ratspräsidentschaft nicht beeinträchtigen, sie werde weiterarbeiten wie bisher. Tatsächlich kann Topolanek geschäftsführend im Amt bleiben, bis eine neue Regierung ernannt ist.

Auch konnte Topolanek darauf hinweisen, dass dies nicht das erste Mal ist, dass während einer Ratspräsidentschaft eine Regierung stürzt. Zweimal war das in den 90er-Jahren der Fall, ohne dass es für die EU zu großen Problemen gekommen wäre.

Die Großen geben die Richtung vor

DW-Korrespondent Christoph Hasselbach (Foto:DW)
DW-Korrespondent Christoph HasselbachBild: DW

Was die Wirtschaftskrise betrifft, so kann die EU notfalls mit einem Regierungswechsel mitten in der Ratspräsidentschaft leben, ebenso mit einer lahmen Ente, falls die jetzige Regierung bis zum Ende der Präsidentschaft geschäftsführend im Amt bleibt. Denn die wirklich wichtigen Akteure hier sind die großen EU-Staaten wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien.

Auch deshalb dürfte es die transatlantischen Beziehungen nicht erschüttern, dass Topolanek im Europaparlament die amerikanischen Ausgaben-Programme als "Weg zur Hölle" bezeichnet hat. Er wird einfach als Sonderling abgetan. Aber niemand kann den Tschechen die Ratifizierung des Reformvertrages abnehmen. Sie könnten den gesamten inneren Reformprozess der EU aufhalten.

Präsident Klaus in Schlüsselfunktion

Hier liegt die eigentliche Gefahr. Der tschechische Präsident Vaclav Klaus ist jetzt Herr des Geschehens. Er, der erklärte Gegner des Reformvertrages, muss nun eine neue Regierung beauftragen. Damit kann er sich sehr viel Zeit lassen, denn die tschechische Verfassung setzt ihm keine Frist. Und er kann natürlich eine Person benennen, die den Vertrag ebenfalls ablehnt.

Das tschechische Unterhaus hat zwar nach mehreren Anläufen den Lissabon-Vertrag ratifiziert, nicht aber der Senat. Dort haben Senatoren von Topolaneks ODS die Mehrheit, viele von ihnen Lissabon-Gegner. Topolanek hat bisher in der ODS für die Ratifizierung geworben. Jetzt windet er sich aus der Verantwortung mit der Bemerkung, wenn er die Situation der ODS nicht mehr unter Kontrolle habe, werde der Vertrag nicht ratifiziert.

Die Kleinen brauchen den Vertrag

Sollte das passieren, wäre es ein fatales Signal, gerade jetzt. Die Wirtschaftskrise hat die Union enger zusammengeführt. Alle haben gesehen, wie wichtig es ist, gemeinsam zu handeln. Ein endgültiges Scheitern des Reformvertrages könnte diesen Geist der Gemeinsamkeit schwer beschädigen. Und das Ironische ist: Die Großen in der EU kommen noch am besten ohne Reformvertrag zurecht, die Kleinen, wie Tschechien, brauchen ihn am dringendsten.