1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gefährliche Kehrtwende

Peter Philipp

Das Treffen zwischen Scharon und Bush markiert möglicherweise einen Wendepunkt in der Nahost-Politik der USA. Eine Kehrtwende, die Böses ahnen lässt, wie Peter Philipp in seinem Kommentar meint.

https://p.dw.com/p/4uSf

Enttäuschung, Empörung und Kritik nicht nur aus der arabischen Welt über US-Präsident George W. Bush waren vorprogrammiert. Denn seine Erklärung zum Fortgang der nahöstlichen Friedensbemühungen am Mittwoch (14.4.2004) war alles andere als ein Betrag zur Friedensförderung. Bush begrüßte zwar den Plan des israelischen Regierungschefs Ariel Scharon, die Siedlungen im Gazastreifen aufzulösen. Aber gleichzeitig kam Bush seinem Gast politisch mehr entgegen als alle seine Vorgänger: Bush schloss aus, dass Israel alle seit 1967 besetzten Gebiete aufgeben müsse, und er schloss aus, dass die 1948 vertriebenen Palästinenser ins israelische Staatsgebiet zurückkehren dürfen.

Nur Stunden, nachdem er mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak darauf bestanden hatte, dass die so genannte "Road Map" für einen Nahost-Frieden weiterhin gültig sei, könnte Bush diesem Friedensplan nun den Gnadenschuss gegeben haben. Denn ein wichtiger - wenn nicht der wichtigste - Bestandteil dieses Konzepts von USA, UN, EU und Russland ist, dass die Konfliktparteien selbst eine dauerhafte Friedensregelung aushandeln müssen. Genau das sabotiert der US-Präsident nun, indem er einige Ergebnisse solcher Verhandlungen vorwegnimmt.

Und das ohne jeden Grund: Bush war gefragt, dem einseitigen israelischen Abzug aus Gaza zuzustimmen. Das hätte er laut und deutlich und ohne jede Einschränkung tun können und tun sollen. Denn seit 1967 ist es Allgemeingut der internationalen Politik, dass Israel die damals eroberten Gebiete wieder aufgeben solle. Viele Probleme, für die - neben anderen - auch die verschiedenen israelischen Regierungen verantwortlich waren, verhinderten bisher den Tausch "Land gegen Frieden". Wenn nun aber ein israelischer Premierminister kommt, der auch nur einen Teil der besetzten Gebiete räumen will, dann kann und sollte man dem vorbehaltlos zustimmen.

Es gibt keinen triftigen Grund für George W. Bush, dabei auf die trickreiche Strategie einzugehen, die Scharon mit diesem Plan verbindet: Das ohnehin problematische Gaza aufzugeben und sich dafür den Verbleib in wichtigen Teilen des Westjordanlandes zusichern zu lassen. Wenn der US-Präsident dies dennoch tat, dann hat er sich erneut - und diesmal kräftiger als je zuvor - als Vermittler und Sponsor eines Nahost-Friedens disqualifiziert.

Natürlich hat Bush nichts sonderlich Überraschendes gesagt: Kaum jemand auf der Welt erwartete ernsthaft, dass das Rad der Geschichte auf den 5. Juni 1967 oder sogar noch weiter zurück gedreht werden könnte. Frieden aber muss auf dem Kompromiss der Konflikt-Parteien basieren und nicht auf Rahmenbedingungen, die von außen vorgegeben werden. Da nützt es nichts, wenn Bush in seiner Erklärung mehr und öfter als je zuvor von der Schaffung eines palästinensischen Staates sprach. Solch ein Staat kann nicht im Weißen Haus entworfen und geschaffen werden, ein Nahost-Frieden auch nicht. Beide aber können dort noch weiter gefährdet werden, und das ist Präsident Bush ganz offensichtlich gelungen. (15.4.2004)