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Gauck will "von Brasilien lernen"

Renate Krieger16. Mai 2013

Brasilien bewegt den Bundespräsidenten: Während seines Besuchs zeigte sich Joachim Gauck beeindruckt von der Aufbruchstimmung im Land. Deutschland könne von dem Mut zu Veränderungen lernen.

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Bundespräsident Joachim Gauck besucht die Favela Dona Marta in Rio. (Foto: DW/Gabi Nehring)
Bild: DW/G. Nehring

Die letzten Stunden vor seiner Abreise verbrachte Joachim Gauck unter den ausgebreiteten Armen der Christusstatue in Rio de Janeiro. Der Blick des Bundespräsidenten schweifte nicht nur hinüber zum berühmten Zuckerhut, dem zweiten Wahrzeichen der Stadt. Von der 700 Meter hohen Aussichtsplattform konnte er auch auf das Armenviertel Dona Marta sehen, das er kurz zuvor besucht hatte.

Bis vor einigen Jahren lieferten sich in Dona Marta noch Drogenbanden und Polizei regelmäßig Gefechte. Doch seit der Befriedung der Favela vor fünf Jahren hat sich die Sicherheitslage verbessert. "Wenn sich solche Veränderungen so sichtbar ereignen und wenn so eine fröhliche Atmosphäre rüberkommt von den Menschen, die nicht in Fülle leben, sondern im Mangel, dann bewegt uns das total", sagte Gauck nach dem Besuch in Dona Marta. Deutschland könne vom Mut der Brasilianer und ihrer Entschlossenheit zu Veränderungen lernen.

Schon Popstar Michael Jackson wagte sich 1996 in die Armensiedlung Dona Marta. Sein Video "They don't care about us" wurde weltweit berühmt. Musik spielte auch beim Gauck-Besuch eine wichtige Rolle. Der Bundespräsident besuchte ein Musikprojekt für Jugendliche, umarmte die Bewohner und ließ sich lächelnd mit ihnen fotografieren.

Joachim Gauck im Armenviertel Dona Marta in Rio de Janeiro. (Foto: DW/Gabi Nehring)
Im Armenviertel "Dona Marta" in Rio de Janeiro besuchte Gauck ein Musikprojekt für JugendlicheBild: DW/G. Nehring

Die Begegnungen mit benachteiligten Bevölkerungsgruppen bildeten einen Schwerpunkt der viertägigen Reise. Neben seinem Besuch im Armenviertel Dona Marta suchte Gauck auch das Gespräch mit den Mitgliedern der nationalen Wahrheitskommission. Die Angehörigen der Opfer der brasilianischen Militärdiktatur (1964 - 1988) waren an einem Erfahrungsaustausch mit Gauck wegen seines Wirkens als Beauftragter für die Unterlagen der DDR- Staatssicherheit interessiert.

"Das Treffen mit den Mitgliedern der nationalen Wahrheitskommission hat emotional die größten Spuren bei mir hinterlassen", bilanzierte Gauck gegenüber der DW. "Wenn Menschen mit Leid zu tun haben, das anderen Menschen zugefügt wird, dann kommt eine Tiefendimension in die Begegnung, die anders ist."

"Nie wieder Diktatur"

Gauck sagte den Mitgliedern der Wahrheitskommission und der brasilianischen Regierung seine Unterstützung bei der Aufarbeitung der Vergangenheit zu. Es ginge nicht nur darum, die Menschenrechtsverletzungen während der brasilianischen Militärdiktatur aufzuklären, sondern die gesamte Gesellschaft für Versöhnung zu mobilisieren. "Alle Demokraten müssen sagen: Nie wieder", so Gauck. Wenn die Suche nach Aufklärung und Versöhnung als Projekt der Linken angesehen werde, könne es scheitern.

Ursprünglich sollte der Schwerpunkt von Gaucks Brasilienreise im Bereich Wirtschaft liegen. Gemeinsam mit Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff eröffnete der Bundespräsident am vergangenen Montag in Sao Paulo die Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstage und das Jahr "Deutschland + Brasilien 2013 – 2014". Am Dienstag (14.05.2013) besuchte er anlässlich des 60-jährigen Bestehens das Volkswagen-Werk in der Nähe von Sao Paulo.

Young Euro Classic Orchester. (Foto: Renate Krieger/DW)
Das "Young Euro Classic Orchester" eröffnete das Deutschlandjahr. Ihm gehören Musiker aus beiden Ländern anBild: DW/R. Krieger

"Monetäre Injektionen"

Noch zum Auftakt der deutsch-brasilianischen Wirtschaftstage hatte Präsidentin Dilma Rousseff die Niedrigzinspolitik und die "monetären Injektionen" der Industrieländer kritisiert. Die Geldschwemme aus Europa und den USA sei für die Überbewertung des brasilianischen "Real" verantwortlich und mache die Wettbewerbsfähigkeit brasilianischer Exporte auf dem internationalen Markt zunichte.

Doch immer wieder kehrte Gauck zur Debatte über Versöhnung, Freiheit und Demokratie zurück. So nutzte er auch während der Deutsch-Brasilianischen-Wirtschaftstage die Gelegenheit, gegenüber der Presse vermeintliche wirtschaftspolitische Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Ländern auszuräumen und sich als Brückenbauer zu profilieren.

"In Deutschland habe ich allerhand davon gehört, wie problematisch es sei zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsidentin Dilma Rousseff", erklärte Gauck gegenüber der brasilianischen Presse. "Erlebt aber habe ich eine herzensfreudige Präsidentin, die mir die allerwärmsten Grüße an die Kanzlerin mitgegeben hat, und die überhaupt keine Probleme hat, ihr offenherzig zu begegnen".