Gauck oder nicht Gauck - Die schwierige Kandidaten-Suche
19. Februar 2012Inzwischen konzentrieren sich die Spekulationen auf drei Namen: Da ist der frühere DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck, der bei der letzten Präsidenten-Wahl 2010 nur knapp und im dritten Wahlgang dem späteren Amtsinhaber Christian Wulff unterlag. Da ist der frühere evangelische Bischof Wolfgang Huber. Und da ist - seit gestern neu in der Runde - die derzeitige Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main, Petra Roth (CDU).
Im Kanzleramt begann am Sonntagmittag ein weiteres Treffen der Partei- und Fraktionschefs von Union und FDP. Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler sagte vor den Gesprächen, er erwarte, dass es bei der Suche nach einem Kandidaten fair zugehe. Mit einem eigenen Vorschlag wollen die Freien Demokraten Presseberichten zufolge nicht aufwarten. Rösler äußerte die Erwartung, dass es einen "parteiunabhängigen Kandidaten" gebe.
Gauck: Auch die FDP findet ihn gut
Der 72-jährige Joachim Gauck genießt einem Bericht der Zeitung "Bild am Sonntag" zufolge weiterhin hohe Sympathiewerte in der Bevölkerung. In einer Umfrage hätten sich 54 Prozent der Befragten für Gauck als Staatsoberhaupt ausgesprochen, schreibt das Blatt. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte am Samstag deutlich gemacht, dass seine Partei weiterhin für Gauck sei. Und inzwischen mehren sich auch aus der FDP die Stimmen, für die Gauck ein "respektabler und anzuerkennender Kandidat" sei, so Fraktionschef Rainer Brüderle.
Doch den früheren DDR-Bürgerrechtler für eine Kandidatur vorzuschlagen, wäre für Bundeskanzlerin Angela Merkel eine hohe Hürde: Käme es doch dem Eingeständnis gleich, dass sie sich bei der letzten Präsidentenwahl für den falschen Kandidaten, nämlich den Parteifreund Christian Wulff stark gemacht hat.
Wolfgang Huber und Petra Roth - Weitere Namen im Gespräch
Wolfgang Huber, der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, gilt zwar als SPD-nah, genießt aber über Parteigrenzen hinweg einen guten Ruf. Er wird als präsidiabel eingeschätzt. In diesem Fall müssten wohl die Freien Demokraten tief durchatmen, da Huber als Signal für eine neue, bevorstehende Große Koalition zwischen Union und SPD gewertet werden könnte.
Die noch amtierende Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, Petra Roth, wurde gestern erstmals nach Beratungen der CSU-Spitze in München als Kandidatin gehandelt. Die 67-jährige CDU-Politikerin hatte angekündigt, ihr Amt als Oberbürgermeisterin am 1. Juli 2012 niederzulegen, um in Frankfurt einen Generationswechsel einzuleiten. Amtsmüdigkeit hingegen wurde bei ihr nicht festgestellt. Ebenso wie von Gauck und Huber war von Petra Roth kein Kommentar zu den Spekulationen zu hören.
In den Reihen von SPD und Grünen wartet man unterdessen ab, wann die Kanzlerin zu dem in Aussicht gestellten Treffen einladen wird. In einigen Meldungen heißt es, daraus werde an diesem Sonntag nichts mehr, andere Beobachter halten eine Zusammenkunft sehr wohl noch für möglich.
Für Wulff ist der Ärger nicht vorbei
Am Samstag hatten der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, und Bundestagspräsident Norbert Lammert wissen lassen, dass sie nicht für das höchste Staatsamt kandidieren wollen. Bliebe noch Klaus Töpfer, CDU-Politiker und früherer Umweltminister. Er hatte nach seiner aktiven Zeit in Deutschland eine internationale Karriere als Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen hingelegt, dürfte aber vor allem für die FDP unwählbar sein.
Für den bisherigen Amtsinhaber Christian Wulff fangen die Probleme nach seinem Rücktritt gerade erst an. Er hat sich dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwälte in Hannover wegen des Verdachts der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung zu stellen. Und die Rufe, dass er auf den sogenannten Ehrensold in Höhe der Amtsbezüge, die aktuell bei 199.000 Euro pro Jahr liegen, verzichten soll, werden lauter. Walter Scheel, der dieses Privileg als ehemaliges Staatsoberhaupt selbst noch in Anspruch nimmt, sagte der Zeitung "Bild am Sonntag", er wünsche sich, "dass Christian Wulff als Bundespräsident a.D. klug genug ist und auf seinen Ehrensold verzichtet. Damit könnte er beim deutschen Volk verlorenes Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen". Ob Wulff angesichts der persönlichen Gründe für seinen Rücktritt einen Anspruch auf das Geld hat, ist unter Rechtsexperten umstritten.
ml/haz (rtr,dpa,dapd)