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Gasversorgung der privaten Haushalte geht vor

Birgit Augustin15. Januar 2009

Bulgarien hat nur einen kleinen eigenen Gasspeicher dessen Reserven langsam zur Neige gehen. Daher hat die bulgarische Regierung dem Land drastische Sparmaßnahmen verordnet.

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Symbolbild Gas aus Russland Bulgarien
Bulgarien leidet unter dem Gasstreit

Im Krankenhaus von Levski sind die Heizkörper seit mehr als einer Woche kalt. Die Patienten wurden in wenigen Zimmern zusammengelegt, damit sie sich wenigstens gegenseitig ein bisschen wärmen. Ermine Mechmedova hat eine Herzoperation und eine Lungenentzündung hinter sich. Und jetzt das. "Man kann die Kälte fühlen", sagt Ermine Mechmedova. "Morgens, wenn wir aufwachen, sind die Räume kalt, die Heizung ist aus. Besonders, wenn wir unsere Morgentoilette machen, ist das Wasser sehr kalt. Wir wachen verschwitzt auf und frieren dann."

Ihre Angehörigen haben ihr ein kleines Elektroheizgerät von zu Hause mitgebracht. Das hilft ein bisschen. Ärzte und Krankenschwestern aber sitzen in kalten Diensträumen. Dr. Valentin Gantschev klagt: "Das ist eine katastrophale Lage", sagt er. "Ich fühle mich als Opfer des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland."

Gasreserven drastisch rationiert

Gasleitungen
In Bulgariens Gasleitungen kommt nichts mehr anBild: AP

Wegen der Gaskrise haben in den vergangenen Tagen Dutzende von Schulen in Bulgarien ihre Pforten geschlossen. Die Schüler haben "kältefrei". In Ruse, einer Stadt an der rumänisch-bulgarischen Grenze geht der Unterricht weiter, allerdings mit Einschränkungen. Unterrichtsstunden und Pausen sind kürzer als üblich, die Schüler sitzen in Schal und Mütze an ihren Pulten.

In die Sorge um die Zukunft mischt sich bei Englisch-Lehrerin Rositsa Radoeva der Ärger. "Wir Bulgaren sind in dieses Problem hineingezogen worden, ohne eigene Schuld", sagt sie. "Aber wir leiden unter dem Gasstreit, bei uns ist es kalt. Wir sind Geiseln dieses Konflikts." Noch sind in Ruse die Wohnungen warm. Die bulgarische Regierung hat die eigenen, knappen Gasreserven drastisch rationiert, die Versorgung der Privathaushalte hat Priorität. Aber die Industriebetriebe trifft der Lieferstopp mit voller Wucht.

Gemeinsame Energiepolitik

Bei ORGACHIM geht seit mehr als einer Woche gar nichts mehr. Sonst produzieren hier mehr als 800 Arbeiter Farben und Lacke. Doch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt geht das nicht mehr – die Leute sind im Zwangsurlaub. Silvi Ivanov von ORGACHIM erklärt, warum der Betrieb nicht auf andere Energiequellen ausweicht: "Erdöl ist keine gute Alternative für uns. Erstens würde der Preis für unsere Produkte um ein Vielfaches steigen, weil Öl eine teure Energiequelle ist. Und zweitens würde sich das negativ auf die Luftqualität auswirken."

Die Regierung schätzt, dass der bulgarischen Industrie durch die Gaskrise bislang 50 Millionen Euro verloren gegangen sind. Alternativen zur Abhängigkeit von Russland, das fordert Stojan Manolov, der Manager des örtlichen Gasversorgers DUNAV GAS. Er wünscht sich mehr Solidarität unter den Europäern. "Wir alleine schaffen es nicht, mit diesem Problem klarzukommen", sagt er. "Wir sollten eine gemeinsame Energiepolitik bekommen. Eine für die gesamte Europäische Union. Wir sind doch eine Staatengemeinschaft." Ein Europa, das in der Energiepolitik an einem Strang zieht, das wünschen sich hier viele in Ruse. Aber das ist Zukunftsmusik. Jetzt müssen sie hier erst mal über den Winter kommen.